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Gustav Heinemann
(1899-1976)

Gustav Heinemann war nicht nur der erste Bundesinnenminister der Bundesrepublik. Er war auch der erste Minister im Kabinett Adenauer, der dem Bundeskanzler öffentlich widersprach und aus Protest gegen dessen Politik der inneren und äußeren Sicherheit sein Amt niederlegte.

Gustav Heinemann als Bundesinnenminister, 18. September 1949.

Fotograf: unbekannt, Quelle: B 145 Bild-00011272

Gustav Heinemann als Bundesinnenminister, 18. September 1949.

Der „unbequeme Demokrat“

Der erste Bundesinnenminister der Bundesrepublik war von Anfang an ein Gegner des Nationalsozialismus. Während der NS-Zeit kritisierte er öffentlich die NS-Kirchenpolitik, half Verfolgten des Regimes mit seiner juristischen Fachkenntnis, unterstützte untergetauchte Jüdinnen und Juden und unterhielt zweitweise eine illegale Druckerei für die Bekennende Kirche, für die er sich seit 1934 engagierte. Nachdem die Bekennende Kirche in seinen Augen nicht genug bzw. nicht einheitlich Widerstand leistete, legte er 1939 aus Protest seine Ämter nieder.

Nach dem Krieg gehörte Gustav Heinemann zu den Mitbegründern der CDU, war Oberbürgermeister von Essen und Justizminister in Nordrhein-Westfalen. Am 20. September 1949 berief ihn Bundeskanzler Adenauer als Vertreter des protestantischen Flügels der Partei zum ersten Bundesinnenminister. Schon bald wurde deutlich, dass beide Politiker nicht immer einer Meinung waren und Heinemann dies auch öffentlich äußerte.

Im Sommer 1950 schien der Frieden nach nur fünf Jahren Kriegsende bereits wieder in Gefahr zu sein. Den Koreakrieg, die sowjetische Aufrüstung sowie den Ausbau der Volkspolizei zu einer Volksarmee in der DDR nahm Adenauer zum Anlass, den Westalliierten für den Kriegsfall eine deutsche Freiwilligentruppe von 150.000 Mann anzubieten, die in Bereitschaftspolizeien und beim Bundesgrenzschutz organisiert werden sollten. Zugleich sollten sie den Nukleus einer westdeutschen Armee bilden. Allerdings tat Adenauer dies in einem geheimen Sicherheitsmemorandum, über das er das Kabinett erst im Nachhinein informierte. Heinemann fühlte sich nicht zum ersten Mal vom Kanzler in seiner Kompetenz als federführender Minister im Bereich der inneren Sicherheit übergangen.

Aber auch aus anderen Gründen kritisierte er das Verhalten Adenauers scharf. Seiner Meinung nach sei es „Sache der Westmächte, uns gegen Angriffe von außen zu schützen“[1]. Eine deutsche Wiederbewaffnung sei untragbar, weil sie „auf den Russen provozierend wirken“[2] und den Weg zu einer möglichen Wiedervereinigung verstellen würde. Andererseits befürchtete er, dass dabei ähnlich massiv auf NS-Belastete zurückgegriffen werden würde wie beim Aufbau des bundesrepublikanischen Staatsapparates:

„Wir können noch nicht von einem gefestigten demokratischen Staatsbewußtsein sprechen. Es wird deshalb nicht abzuwenden sein, daß die antidemokratischen Neigungen gestärkt und die Remilitarisierung die Renazifizierung nach sich ziehen wird.“ [3]

Aus Protest gegen die Politik des Kanzlers trat Heinemann als erster Minister in der jungen bundesdeutschen Geschichte von seinem Amt zurück. Er blieb ein „unbequemer Demokrat“[4]. Er protestierte im Folgenden nicht nur immer wieder gegen die Wiederbewaffnung, sondern auch gegen die innere Sicherheitspolitik seiner Nachfolger – zunächst in der Gesamtdeutschen Volkspartei, ab 1957 schließlich in der SPD.

Jakob Saß

 

[1] Kabinettsprotokolle, 1950, Dok. Nr. 64, Link.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Blume, Dorlis/Zündorf, Irmgard: Biografie Gustav Heinemann, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Link.

 

Bundeskanzler Konrad Adenauer während einer Kabinettssitzung im Museum König in Bonn am 2. Oktober 1949. Mit am Tisch: Innenminister Gustav Heinemann.

Fotograf: Georg Munker, Quelle: BArch B 145 Bild-00049046

Bundeskanzler Konrad Adenauer (Mitte, an der Tischspitze) während einer Kabinettssitzung im Museum König in Bonn am 2. Oktober 1949. Mit am Tisch: Innenminister Gustav Heinemann (2. von links).

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Lebenslauf

23.7.1899: geboren in Schwelm/Westfalen

1917-1918: Soldat im Ersten Weltkrieg

1918-1921: Studium der Rechtswissenschaft

1926: Rechtsanwalt in Essen

1928-1936: Justitiar und Prokurist bei den Rheinischen Stahlwerken in Essen

1934-1939: Beitritt zur Bekennenden Kirche

1936-1949: Bergwerksdirektor bei den Rheinischen Stahlwerken in Essen

1945: Mitbegründer der CDU in Essen

1946-1949: Oberbürgermeister von Essen

1947-1950: CDU-Abgeordneter des Landtages von Nordrhein-Westfalen

1947-1948: Justizminister von Nordrhein-Westfalen

1949: Erster Bundesinnenminister der Bundesrepublik

Oktober 1950: Adenauer akzeptiert Heinemanns Rücktrittsgesuch, Grund für den Rücktritt sind Differenzen in Fragen der inneren und äußeren Sicherheit

1951-1957: Parteipolitisches und zivilgesellschaftliches Engagement gegen die innere und äußere Sicherheitspolitik der Adenauer-Regierung

1957: Eintritt in die SPD

1962: Rechtsanwalt für die Zeitschrift „Der Spiegel“ nach der Spiegel-Affäre

1966-1969: Bundesjustizminister in der Regierung der Großen Koalition

1969-1974: Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

7.7.1976: verstorben in Essen

Weitere Biografien