Was bedeuteten Netzwerke?

Innerhalb des BMI-Gründungspersonals stechen zwei Netzwerke besonders hervor. Diese basierten auf berufsbedingter Bekanntschaft oder einem gemeinsamen Studium. So lässt sich in der obersten Leitungsebene ein Netzwerk aus ehemaligen Studierenden der Rechtswissenschaften der Universität Königsberg ausmachen. Einige von Ihnen, wie Erich Keßler, hatten zudem in der NS-Zeit im Reichsinnenministerium gearbeitet. Hier wiederum waren weitere Mitglieder des BMI-Gründungspersonals beschäftigt gewesen, wie etwa Hans Ritter von Lex. Im Gründerkreis waren so durch einzelne Personen zwei Netzwerke verbunden. Dieser Kreis erstellte Vorschlaglisten, die für die weitere Personalauswahl im BMI herangezogen wurden. Es ist daher anzunehmen, dass die ersten Mitarbeiter des BMI vielfach aufgrund individueller Empfehlungen und Zugehörigkeit zu den beiden beschriebenen Netzwerken ausgewählt wurden. Auch lassen sich in den einzelnen Abteilungen des BMI Netzwerke finden, wie zum Beispiel in der Abteilung für „Gesundheitswesen“. Hier gab es netzwerkähnliche Gefüge aus Ärzten, die auch Verbindungen in andere Institutionen hatten.

Im MdI dominierten eher Netzwerke, die auf Widerstandserfahrung und -kampf vor 1945 und gemeinsame Haft- oder Exilerfahrungen zurückgingen. Vor allem in den höchsten Leitungsebenen des MdI waren viele Personen bereits vor 1933 in der Kommunistischen Partei organisiert gewesen und konnten nach dem Krieg an ihre Bekanntschaften mit KPD-Funktionären anknüpfen, selbst wenn sie sich zur Zeit des Nationalsozialismus nicht aktiv kommunistisch engagiert hatten. Durch diese Verbindungen gelangten einige von ihnen nach 1949 ins MdI. Sie wurden aufgrund ihrer einstigen Zugehörigkeit zur KPD, durch die Empfehlung leitender kommunistischer Funktionäre und ihrer beruflichen Expertise eingestellt.

Das MdI wies zudem ein Emigranten-Netzwerk auf. Dieses bildete sich unter den zumeist im sowjetischen Exil lebenden Kommunistinnen und Kommunisten heraus und bestand auch innerhalb des MdI fort. Viele von ihnen besetzten höchste Führungspositionen im Ministerium, wie etwa die Innenminister Karl Maron und Friedrich Dickel oder der Chef der Polizeiverwaltung Kurt Fischer. Im BMI gab es ein solches Netzwerk unter anderem nicht, weil die Emigrantinnen und Emigranten dort zu wenige waren, um ein eigenes Netzwerk zu bilden.

Netzwerke, die aus berufsbedingter Zusammenarbeit oder gemeinsamer Ausbildung vor 1945 entstanden und ihren Mitgliedern zum Teil ungebrochene Karrieren ermöglichten, gab es hingegen häufig im BMI. Im MdI waren sie Sonderfälle. Meist bestanden diese Netzwerke im MdI in politisch weniger sensiblen Abteilungen sowie unter (Natur-)Wissenschaftlern. Durch ihre wissenschaftliche Sozialisation konnten sie sich einerseits als fachlich qualifizierte und unpolitische Expertinnen und Experten darstellen, andererseits auf verschiedene Netzwerke zurückgreifen. So hatte beispielsweise die Mehrzahl der Mitarbeitenden des „Hydrologischen und Meteorologischen Dienstes“ zuvor im Reichsluftfahrtministerium gearbeitet. Ihre Ausbildung war zudem in den 1930er und 1940er Jahren zentral organisiert gewesen, weshalb sich die Absolventen zum Teil untereinander kannten. Im BMI bestand diese Art von Netzwerken auf allen Ministeriumsebenen, auch in so sensiblen Abteilungen wie der für „Innere Sicherheit“.

Stella Krekeler

Das Gebäude der Albertina-Universität ca. 1929 in Königsberg. Hier studierten einige der BMI-Angestellten, wie etwa Erich Keßler

Fotograf: Georg Pahl, Quelle: BArch Bild 102-03065

Die Albertina-Universität ca. 1929 in Königsberg. Hier studierten einige der BMI-Angestellten, wie etwa Erich Keßler

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Zu personellen Netzwerken

Dr. Frieder Günther
Historiker am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin

Dr. Franziska Kuschel
Historikerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

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