MdI

Kurt Fischer 

(1900-1950)

Ein wichtiges Netzwerk im MdI bestand aus jenen Kommunistinnen und Kommunisten, die die Zeit des Nationalsozialismus im sowjetischen Exil verbracht hatten und nach 1945 in den Osten Deutschlands zurückkehrten. Einer von ihnen war Kurt Fischer.

Kurt Fischer am 1. Juli 1945 in Dresden

Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Abraham Pisarek

Kurt Fischer am 1. Juli 1945 in Dresden

Ein "Berufsrevolutionär" im MdI

„Das gesamte Leben des Genossen Fischer spiegelt das Bild eines Berufsrevolutionärs wieder.“[1]

So wurde Kurt Fischer 1948 charakterisiert, kurz bevor er zum Präsidenten der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) ernannt wurde. Dieses (Selbst-)Verständnis als „Berufsrevolutionär“ galt ebenso für ein Netzwerk aus Exilkommunistinnen und -kommunisten, die nach 1945 in den höchsten Führungspositionen des MdI tätig waren.

Kurt Fischer, Jahrgang 1900, engagierte sich bereits in seiner Jugend im Spartakusbund und gehörte 1918/19 zu den Gründungsmitgliedern der KPD. Nachdem er zwei Jahre später an einem bewaffneten Aufstand in Leuna teilgenommen hatte, floh er nach dessen Niederschlagung in die Sowjetunion.

Hier arbeitete er als Lehrer an deutschen Schulen und wurde Mitglied der KPdSU. Zwischen 1932 und 1939 war er für den sowjetischen Auslandsgeheimdienst tätig. Seit 1943 arbeitete Fischer in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern; wie auch andere kommunistische Emigranten, die später Anstellung im MdI fanden, etwa Franziska Rubens und Herbert Grünstein. Während dieser Zeit entstand ein Netzwerk aus sogenannten „Moskauern“, die neben der Erfahrung des sowjetischen Exils, auch ihre frühe Politisierung in kommunistischen Jugendverbänden und der KPD zur Zeit der Weimarer Republik sowie das Selbstverständnis als „marxistische Berufsrevolutionäre“[2] einte.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war Fischer zunächst Innenminister des Landes Sachsen, bevor er 1948 Präsident der DVdI wurde. Ein Jahr später wurde er Mitglied der Provisorischen Volkskammer der DDR.

Nach der Gründung der DDR übernahm Fischer 1949 die Leitung der Polizeiverwaltung des Innenministeriums. Zugleich wurde er Chef der Deutschen Volkspolizei. Seine beiden Nachfolger in diesem Amt, Karl Maron und Friedrich Dickel, gehörten ebenfalls zum Netzwerk der Exilkommunisten.

Die Biographie Kurt Fischers zeigt exemplarisch, dass bei der Gründung des MdI auf kommunistische Netzwerke zurückgegriffen wurde. Ihre Mitglieder besetzten meist Machtpositionen innerhalb des Innenministeriums. Fischers Jahrgang, der um 1900 Geborenen, bildete den Schwerpunkt dieses Netzwerkes. Altkommunistinnen und -kommunisten wie Fischer prägten den Typus des „Berufsrevolutionärs“ im MdI – ein Ideal, das auch in den folgenden Generationen angestrebt wurde.

Stella Krekeler

 

[1] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/11/v. 0095, Charakteristik über Kurt Fischer v. 13.03.1948.

[2] Ein hervorragender Kämpfer für den Frieden, in: Neues Deutschland v. 06.09.1950, S.4.

Quelle: BArch DO 1/89818

Entwurf für einen Nachruf auf Kurt Fischer aus dem Jahr 1950

Quelle: Ein hervorragender Kämpfer für den Frieden, in: Neues Deutschland v. 06.09.1950, S.4.

Das Selbstverständnis als „marxistische Berufsrevolutionäre“ einte das Netzwerk aus sogenannten "Moskauern", dem auch Kurt Fischer angehörte.

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Lebenslauf

1.7.1900: geboren in Halle/Saale

Seit 1917: Mitglied im Spartakusbund

1918/19: Gründungsmitglied der KPD

Bis 1921: Lehramtsstudium in Eisleben und Merseburg

1921: Teilnahme am bewaffneten Mitteldeutschen Aufstand in Leuna, nach dessen Niederschlagung Flucht in die Sowjetunion

Anfang 1920er Jahre: Arbeit als Deutschlehrer in der Sowjetunion

1923: Kurzzeitige Rückkehr nach Deutschland, Redakteur verschiedener kommunistischer Zeitungen in Essen, Kassel und Halle, Parteisekretär der KPD in Mecklenburg

1924-1945: Exil in der Sowjetunion; Mitgliedschaft in der KPdSU

1928: Tätigkeit bei der Kommunistischen Internationale (Komintern)

Bis 1933: Studium an der Militärakademie in Moskau

1932-1939: Tätigkeit für den sowjetischen Auslandsgeheimdienst, u.a. in China, Japan und Europa

1934: Festnahme und neunmonatige Haft in Wien

1939-1941: Tätigkeit für das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten der Roten Armee

1941-1943: Lehrtätigkeit an der Lenin-Universität Kasan

Ab 1943: Tätigkeit in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern für das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) und Mitarbeiter des Senders „Freies Deutschland“ im Ressort „Kriegsberichterstattung“

Mai-Juli 1945: Stellvertretender Oberbürgermeister von Dresden

Juli 1945-1948: Innenminister in Sachsen sowie stellvertretender sächsischer Ministerpräsident

Seit 1946: Mitglied der SED und Mitglied des Sächsischen Landtages

1948: Präsident der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI)

1949: Mitglied der Provisorischen Volkskammer der DDR

12.10.1949: Ernennung zum Chef der Polizeiverwaltung im MdI

22.6.1950: verstorben in Bad Colberg

Bild von Kurt Fischer aus seiner Kaderakte Ende der 1940er Jahre.

FotografIn: unbekannt / Quelle: BArch, DY 30/IV/2/11/v.0095

Bild von Kurt Fischer aus seiner Kaderakte Ende der 1940er Jahre

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