BMI

Gerhard Scheffler

(1894-1977)

Als Oberbürgermeister der besetzten Stadt Poznań (Posen) war Gerhard Scheffler aktiv an der Diskriminierung der dort lebenden polnischen und jüdischen Bevölkerung beteiligt. Nach dem Krieg tauchte er zunächst unter falschem Namen unter – und fand dennoch einen Weg ins BMI

FotografIn: unbekannt, Quelle: BArch VBS1/1160000754

Porträt von Gerhard Schefller aus dem Jahr 1944, aufgenommen in Poznań (Posen)

Ein Antisemit im Bundesministerium?

Als die deutsche Wehrmacht im Herbst 1939 Teile Polens besetzte, wurde Gerhard Scheffler zum Oberbürgermeister der bis dahin polnischen Stadt Poznań (Posen) ernannt. Scheffler, der seit 1924 im Beamtendienst tätig und Mitglied in mehreren nationalsozialistischen Organisationen war, bekleidete dieses Amt während des gesamten Krieges. In dieser Zeit wirkte er aktiv an der rassistischen Germanisierungs- und Diskriminierungspolitik gegen die polnische und jüdische Bevölkerung mit.

Schefflers Nachlass enthält ein mehrbändiges Manuskript aus dem Jahr 1946, in dem er seine Erinnerungen an die Zeit in Poznań festhielt. Die Aufzeichnungen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, offenbaren eine ungebrochen antidemokratische, rassistische und antisemitische Gesinnung. Darin formulierte er seine Abneigung gegen Judentum, Demokratie und Parlamente wie folgt: „Der Jude im Reich“ habe „ganz wesentlich und zwar ein für allemal zurückgedrängt werden“ müssen, da „die Wirkung des zersetzenden Einflusses des Judentums“ Grund dafür gewesen sei, dass „das deutsche Volk in seiner politischen und sonstigen Haltung in den letzten Jahrzehnten so rapide abgesunken war“. Seinen Rassismus verschwieg Scheffler ebenfalls nicht: Die „Ostjuden“, wie er sie beschreibt, seien „mißratene Mischlinge rassisch schlimmster Sorte“ gewesen. Er habe Zweifel, „ob bei ihnen allen eine Tracht Prügel völlig zu entbehren“ gewesen wäre.

Dass Scheffler um die Brisanz seines Wirkens in Poznań wusste, bezeugt eine Stelle in dem Manuskript, wonach er „in keiner Weise auffallen“ dürfe, „der Wehrmacht der Alliierten nicht und den alliierten Dienststellen sowie deutschen Behörden im Besonderen nicht“. Um einer möglichen Bestrafung durch die Besatzer zu entgehen, tauchte er einige Zeit unter dem Namen „Dr. Otto Jungfer“ ab.

Dennoch reichten Referenzschreiben von ihm bekannten Fürsprechern aus, um Scheffler, nun wieder unter eigenem Namen, wenige Jahre später im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens als entlastet einzustufen und ihn erneut in den Beamtendienst zu berufen. Zu seinem Wirken als Oberbürgermeister von Poznań musste er dabei nur wenige Fragen beantworten. Auch der Umstand, dass bereits die Referenzschreiben ganz offensichtlich von ihm selbst formuliert worden waren, wurde nicht hinterfragt.

Im BMI stieg Scheffler in den Jahren ab 1950 bis zum Leiter der Sozialabteilung auf. In dieser Funktion prägte er den Begriff „Sozialhilfe“ und war maßgeblich an der Ausgestaltung des Bundessozialhilfegesetzes beteiligt.

Christian Schmitt

Lebenslauf

14.1.1894: geboren in Breslau (poln. Wrocław)

1914-1918: Teilnahme am Ersten Weltkrieg

1918-1924: Studium der Rechts- und Staatswissenschaften und Promotion an der Universität Breslau

1.10.1924: Eintritt in die preußische Innenverwaltung beim Landrat des Kreises Leer

1926-1931: zunächst Regierungsassessor, dann Regierungsrat in Münster/Westfalen

1931-1933: Landrat in Bentheim

22.05.1933: Berufung in die Kommunalabteilung im Preußischen Ministerium des Innern

1.10.1933: Ernennung zum Oberregierungsrat

1939-1945: Oberbürgermeister in Poznań (Posen)

1.10.1940: Eintritt in die NSDAP

1949-1950: Tätigkeiten bei der Inneren Mission in Bethel und im Landesdienst des Landes Nordrhein-Westfalen

1950: Übernahme in das BMI

1952-1955: Leiter der Unterabteilung „Soziale Angelegenheiten“ im BMI

1955-1958: Leiter der Sozialabteilung im BMI

1958: Austritt aus dem BMI aus gesundheitlichen Gründen

14.7.1977: verstorben in Bad Neuenahr/Ahrweiler

Weitere Biografien