Entnazifizierung
Wie wurde Entnazifizierung öffentlich diskutiert?
Die deutsche Bevölkerung sah den Prozess der Entnazifizierung mehrheitlich kritisch. Das geht unter anderem aus amerikanischen Umfragen hervor, denen zufolge die Zufriedenheit der deutschen Bevölkerung in der amerikanischen Besatzungszone mit der Durchführung der Entnazifizierung von 1945 bis 1949 von 50 Prozent auf knapp 17 Prozent sank.
Ein gesellschaftlicher Minimalkonsens traf lediglich die Zustimmung zur Bestrafung der NS-Prominenz und besonders „rücksichtsloser“ Nationalsozialisten sowie Denunzianten. Die 1945 und 1946 vor allem in der amerikanischen und sowjetischen Besatzungszone vorgenommenen Massenentlassungen sorgten dagegen eher für eine Solidarisierung der Minderbelasteten mit stärker belasteten NS-Anhängern, anstatt eine Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zu ermöglichen.
Das zwischen den Besatzungsmächten vor allem anfangs nicht abgestimmte Vorgehen, die ständig wechselnde Gesetzeslage, die als demütigend empfundenen Entnazifizierungsverfahren und die bevorzugte Behandlung von bestimmten Berufs- oder Wirtschaftszweigen innerhalb der Besatzungszonen sorgten dafür, dass die deutsche Bevölkerung die Entnazifizierung als Siegerjustiz wahrnahm und sich ungerecht behandelt fühlte. Selbst diejenigen, die die Verfahren als grundsätzlich begrüßenswert und notwendig empfanden, sahen das konkrete Vorgehen kritisch.
Eine breite öffentliche Debatte über die Entnazifizierung fand jedoch nicht statt. Die deutsche Bevölkerung lehnte es mehrheitlich ab, den Blick auf die NS-Verbrechen zu richten und über die NS-Belastung individueller Personen zu diskutieren. Stattdessen war die Erleichterung groß, als der Prozess der Entnazifizierung im Osten 1948 bzw. im Westen 1951 für beendet erklärt wurde.
Frederik Schetter
Zur öffentlichen Diskussion über die Entnazifizierung
Dr. Dominik Rigoll
Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam