Personalpolitik
Wie wurde mit der NS-Vergangenheit umgegangen?
Interne Nachforschungen zur Rolle der eigenen Mitarbeiter im NS-Regime stellte das BMI erst spät an. Seit Ende der 1950er Jahre kam es zu vereinzelten Nachforschungen. Oft erfolgten entsprechende Untersuchungen erst auf Druck von außen. Dieser wurde sowohl durch eine wachsende Sensibilisierung der bundesdeutschen Öffentlichkeit bezüglich personeller Kontinuitäten zur NS-Zeit als auch durch den ideologischen Gegner in der DDR aufgebaut. Trotzdem gab es bereits in frühen Jahren Fälle einer gezielten Platzierung von NS-Verfolgten auf politisch wirkmächtigen Positionen. Unter diesem Aspekt kann die Berufung von Franz Herrmann an das BMI verstanden werden. Ihm wurde 1952 die Leitung der Abteilung Wiedergutmachung übertragen, nachdem er im Nationalsozialismus noch als Jude verfolgt worden war. Doch stieg die Zahl ehemaliger NSDAP-Mitglieder innerhalb des BMI bis in die 1960er Jahre weiter an. Parallel hielt die öffentliche Kritik an den personellen Kontinuitäten in den Bundesbehörden an. Bei nachträglichen Überprüfungen des Personals wurde die Loyalität der Mitarbeiter für das Bundesministerium stets stärker gewichtet als deren belastende Handlungen im NS-System. Vielmehr zählte die interne Feststellung, dass sich die jeweiligen Personen als fähig erwiesen hatten, sich auch in den Dienst eines demokratischen Staates zu stellen. Ein starker Wille zur internen Aufarbeitung der beruflichen Vergangenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lässt sich zu keiner Zeit feststellen.
Im MdI herrschte dagegen eine größere Vorsicht bezüglich der Einstellung ehemaliger NSDAP-Mitglieder. Die SED verstand sich als antifaschistischer Staat. Zeitgleich stellte sie die Bundesrepublik als „faschistisches System“ an den Pranger. In den sogenannten Braunbüchern versuchte die ostdeutsche Staats- und Parteiführung nachzuweisen, wie sehr die Verwaltungsstrukturen der Bundesrepublik von alten nationalsozialistischen Eliten durchsetzt waren. Dass die Braunbücher der DDR durchaus auch im eigenen Land ihre Wirkung entfalteten, verdeutlicht der Fall von Richard Dombrowsky. Obwohl nicht in leitender Position eingesetzt, wurde er, nachdem seine zuvor verschwiegene Mitgliedschaft in der SA bekannt geworden war, umgehend aus dem Staatsdienst entfernt. Der wahre Grund seines Ausscheidens wurde jedoch verschwiegen. Offiziell galten gesundheitliche Probleme als Ursache für seine Entlassung. Die DDR konnte sich nicht öffentlich eingestehen, dass auch im antifaschistischen Staatsapparat Personal mit NS-Vergangenheit tätig war. Eine offene Auseinandersetzung mit den vorhandenen personellen Kontinuitäten zur NS-Zeit lässt sich auch im MdI nicht feststellen.
David Schwalbe
Zur Abgrenzung vom Nationalsozialismus
Dr. Dominik Rigoll
Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Dr. Franziska Kuschel
Historikerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Zur Arbeitsatmosphäre
Dr. Franziska Kuschel
Historikerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Dr. Frieder Günther
Historiker am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin