Netzwerke

In beiden deutschen Innenministerien gab es Netzwerke, die aus beruflichen Kontexten oder aus der gemeinsamen Ausbildung vor 1945 entstanden waren. Sowohl in Ost- als auch Westdeutschland beförderten diese Netzwerke besonders in der Aufbauphase der Ministerien personelle Kontinuitäten hinsichtlich der NS-Zeit. Denn aufgrund mancher dieser Netzwerke erfolgte die Einstellung ehemaliger, teilweise formal belasteter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Im BMI gab es Verbindungen zwischen den Mitarbeitenden aufgrund der gemeinsamen Arbeit im Reichsinnenministerium oder in anderen NS-Behörden. Solche Netzwerke, die in NS-Kontexten entstanden waren, lassen sich bis in die höchste Führungsebene des BMI feststellen. Beispielhafte Biografien hierfür stellen die des Staatssekretärs Hans Ritter von Lex oder des Leiters der Sozialabteilung Gerhard Scheffler dar. Auch lassen sich geographische Studiums- und Tätigkeitszentren der Mitarbeitenden ausmachen, wie etwa die Städte Königsberg (Kaliningrad), Breslau (poln Wrocław), Düsseldorf oder Berlin, die auf Netzwerke hinweisen.

Auch im MdI gab es Netzwerke, die durch berufliche Kontexte in NS-Behörden vor 1945 entstanden waren, z.B. von ehemaligen Angestellten des Reichsluftfahrtministeriums. Auch unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentralen Archivverwaltung der DDR, einer Abteilung des MdI unter der Leitung Otto Korfes​​​​​​​​​​​​​​, gab es solche Netzwerke. Ihre gemeinsame Ausbildung war zumeist in den 1930er und 1940er Jahren am Institut für Archivwissenschaft in Berlin-Dahlem erfolgt. Sowohl die meteorologischen Experten als auch die Mitarbeitenden der Zentralen Archivverwaltung hatten vor 1945 mehrheitlich nicht der KPD angehört oder antifaschistischen Widerstand geleistet. Sie hatten ihre Karriere während des „Dritten Reiches“ auch fortsetzen bzw. aufnehmen können; zahlreiche Personen hatten der NSDAP oder anderen NS-Organisationen angehört. Allerdings kam diese Art von Netzwerken belasteter Experten und Expertinnen im MdI im Vergleich zum BMI seltener vor.

Aufgrund der unterschiedlichen politischen Verhältnisse in den beiden deutschen Staaten gab es Netzwerke, die spezifisch für die jeweiligen Ministerien waren. So existierten im MdI im Besonderen solche, die sich durch ihr kommunistisches Selbstverständnis auszeichneten. Im meist sowjetischen Exil waren Netzwerke zwischen Kommunisten entstanden, die nach ihrer Rückkehr in die DDR im MdI Karriere machten. Auch Netzwerke, die auf KPD-Mitgliedschaften vor 1933 zurückzuführen sind und deren Mitglieder sich nach dem Verbot der KPD im Nationalsozialismus politisch zurückgezogen hatten, fanden sich im MdI.

Ein großes Unterscheidungsmerkmal ist daher die politische Ausrichtung der jeweiligen Netzwerke. KPD-Netzwerke sind ein Spezifikum des MdI, im BMI gab es diese nicht.

Die Netzwerke in Ost und West unterscheiden sich in der Häufigkeit und Qualität ihres Vorkommens. Im BMI überwogen vor allem Netzwerke, die aus NS-Kontexten, wie etwa der Arbeit in einem Reichsministerium, entstanden waren. Sie finden sich bis in die höchsten Ebenen des BMI. Hingegen bestanden im MdI am häufigsten Netzwerke aus kommunistischen Kreisen.

Stella Krekeler

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