Mentalität und Prägung
Welches Selbstverständnis hatte das Personal des MdI und BMI in den 1950er Jahren?
Anfang der 1950er Jahre gelangten vor allem ehemalige KPD-Funktionäre aus der Weimarer Republik in leitende Funktionen des MdI. Ihrem Selbstverständnis nach führten sie den „Kampf gegen die Feinde der Arbeiterklasse“ weiter und halfen als „Berufsrevolutionäre“ in der DDR beim Aufbau des Sozialismus mit. Daneben existierte im MdI eine kleine Gruppe älterer Fachkräfte, die sich vor allem als „unpolitische Experten“ verstanden. Die Mitarbeiter aus den wissenschaftlichen Diensten, etwa der Meteorologie und der Archivverwaltung beriefen sich in ihrem Selbstverständnis auf bürgerliche Werte und deutsche Traditionen. Diese reichten teilweise bis ins Kaiserreich zurück. Für ihre Forschungen hatten sie sich in der DDR günstige Bedingungen erhofft. So glaubten sie, dass sie in der zentralistisch organisierten Wissenschaft frei von kapitalistischen Rahmenbedingungen besser arbeiten konnten.
In den 1950er Jahren dominierten ältere Beamte, die bereits Verwaltungserfahrung im Kaiserreich oder in der Weimarer Republik gesammelt hatten, die Führungsebene des BMI. Sie hatten überwiegend eine juristische Ausbildung absolviert und galten als hochqualifizierte Verwaltungsexperten. Sich selbst sahen sie als „unpolitische“ Fachkräfte. Ihre Tätigkeit als Verwaltungsexperten betrachteten sie insofern als unpolitisch, als sie sich nicht an ein bestimmtes politisches System gebunden sahen. Vielmehr bewerteten sie ihre Beamtentätigkeit als gemeinwohlorientiert und sachgebunden. Dieses unpolitische Selbstverständnis diente auch dazu, sich von einer Mitschuld am NS-System zu distanzieren. Gleichzeitig herrschte unter den Beamten mehrheitlich ein obrigkeitsstaatliches Denken vor. Als Orientierungspunkt diente dabei das wilhelminische Kaiserreich und nicht die demokratische Weimarer Republik. In der Bonner Beamtenschaft lässt sich zudem eine starke antikommunistische Prägung feststellen. Auch demokratieskeptische Beamte konnten sich durch diese Grundhaltung mit dem BMI identifizieren.
Lara Büchel
Zum Selbstverständnis des Beamtentums
Dr. Frieder Günther
Historiker am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin