Mentalität und Prägung

Das Personal der 1950er und 1960er Jahre im BMI lässt sich in drei Generationen einteilen. Bei dieser Einteilung werden verschiedenen Altersgruppen bestimmte Erfahrungen zugeschrieben, die ihre Generationen in hohem Maße prägten.

„Die Frontkämpfergeneration“

Das Gründungspersonal des BMI gehörte in der Mehrheit zur sogenannten Frontkämpfergeneration des Ersten Weltkriegs. Zu dieser zählen die bis 1900 geborenen Jahrgänge. Diese Generation war geprägt von ihren Erlebnissen an der Front und der Kriegsniederlage. Sie war noch im Kaiserreich sozialisiert, hatte Ausbildung oder Studium aber bereits in der Weimarer Republik absolviert und dort erste Berufserfahrung gesammelt. Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten arbeiteten sie in Justiz und Verwaltung. Nach 1933 war die Mehrheit im NS-Staat weiterbeschäftigt.

„Die Kriegsjugendgeneration“

Eine jüngere Gruppe des BMI-Gründungspersonals gehörte zur sogenannten Kriegsjugendgeneration. Sie umfasste die Jahrgänge 1901 bis etwa 1912. Die „Kriegsjugendgeneration“ hatte den Ersten Weltkrieg zwar erlebt, war aber noch zu jung gewesen, um selbst daran teilzunehmen. Allerdings war sie geprägt worden von der extremen ideologischen Konfrontation dieser Zeit, dem übersteigerten Nationalismus, den Feindbildern und der Kriegspropaganda. Auch die Kriegsniederlage 1918 hinterließ bei ihnen einen bleibenden Eindruck. Angehörige dieser Generation begannen ihre berufliche Laufbahn bereits in der NS-Zeit und machten dort Karriere; zum Teil hatten sie ihre Ausbildung aber 1945 noch nicht abgeschlossen, weil sie zur Wehrmacht eingezogen worden waren. Viele von ihnen waren später auch Mitglied in der NSDAP oder Angehörige der SS. Oftmals hatten sie seit 1933 Karriere im NS-System gemacht und wurden nun von den Alliierten als potentiell „belastet“ angesehen.

„Die Flakhelfer-Generation“

Die ab 1928 geborene „Flakhelfer-Generation“ stieg in den 1960er Jahren in leitende Positionen des BMI auf. Sie waren oftmals Mitglieder der Hitlerjugend, aber zu jung, um aktive Positionen im NS-System einzunehmen. Sie waren auch keine Soldaten, hatten aber teilweise noch in der letzten Phase des Krieges als Flakhelfer die Schrecken des Bombenkrieges bewusst miterlebt. Ein Teil hatte noch vor Kriegsende ein Notabitur abgelegt, andere setzten ihre Schulbildung erst nach 1945 fort.

Flakhelfer an einem Horchgerät.

Fotograf: unbekannt, Quelle: BArch, Bild 183-H25588

23. April 1943: Flakhelfer in Berlin neben einem Flak-Horchgerät

Das Personal des MdI in den 1950er und 1960er Jahren lässt sich weniger ausgehend von den Erfahrungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg unterscheiden. Bei der Einteilung in die verschiedenen Gruppen sind die politische Haltung und die Haft- und Kampferfahrung während der Weimarer Zeit vielmehr entscheidend. Nach 1933 sind zudem vor allem der Grad der politischen Verfolgung sowie die Exilzeit in der Sowjetunion von Bedeutung.

„Altkommunisten“

Das MdI-Gründungspersonal rekrutierte sich aus den Jahrgängen der zwischen 1890 und 1920 Geborenen. Die Personen waren in der Mehrheit in der Weimarer Zeit Jugendliche oder junge Erwachsene. Oft kamen sie aus dem Arbeitermilieu und sympathisierten mit dem Kommunismus, teils hatten sie sich auch aktiv in kommunistischen Jugendorganisationen und der KPD engagiert. Einige der „Altkommunisten“ hatten auch im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden sie verfolgt und mussten entweder emigrieren oder untertauchen. Viele der in Deutschland gebliebenen Altkommunisten wurden inhaftiert. Manche wurden erst 1945 von den Alliierten aus der Haft oder den Konzentrationslagern befreit; andere kamen nach Kriegsende aus dem Exil zurück nach Deutschland. Neben den Widerstandskämpfern und Emigranten arbeiteten im Innenministerium auch eine Reihe von „Altkommunisten“, die vor 1933 zwar der KPD angehört oder nahegestanden hatten, aber zwischen 1933 und 1945 nicht aktiv im Widerstand engagiert waren.

„Neue Antifaschisten“

Eine große Gruppe von Mitarbeitern des MdI machten die sogenannten neuen Antifaschisten aus. Sie hatten als Wehrmachtssoldaten an der Ostfront Kriegsdienst geleistet. Dabei gerieten sie in sowjetische Kriegsgefangenschaft, wo sie dem „Nationalkomitee Freies Deutschland“ (NKFD) beitraten und zum Teil von „Altkommunisten“ zu „neuen Antifaschisten“ umgeschult wurden.

„Experten“

Das MdI griff in seiner Gründungsphase vor allem in den wissenschaftlich-technischen Ministeriumsbereichen auch auf Fachkräfte und Experten zurück, die noch in der Weimarer Republik oder in der NS-Zeit ihre Berufsausbildung genossen hatten. Sie hatten bereits Arbeitserfahrung gesammelt und konnten nach 1945 ihre berufliche Laufbahn fortführen, wenn sie der kommunistischen Führung ihre Loyalität versicherten. Häufig hatten sie während des „Dritten Reiches“ NS-Organisationen angehört.

„Junge Parteisoldaten“

Die Jahrgänge der 1925 bis 1932 Geborenen bilden eine weitere wichtige Gruppe des Personals des MdI. Sie hatten die NS-Zeit als Jugendliche miterlebt und waren teilweise Mitglied im Jungvolk oder in der Hitlerjugend gewesen. Mitunter hatten sie auch der NSDAP angehört, jedoch hatte keiner von ihnen eine herausragende Position im NS-System innegehabt, da sie hierfür schlicht zu jung gewesen waren. Nichtsdestotrotz nahmen sie ihre profaschistische Betätigung vor 1945 als „belastend“ wahr. Die „jungen Parteisoldaten“ fühlten sich deshalb im MdI berufen und dazu verpflichtet, bei der Errichtung des neuen Arbeiter-und-Bauern-Staates mitzuhelfen.

Lara Büchel

Verlag: R. Barnick (Berlin), Quelle: BArch Plak 002-018-033

Plakat der Arbeiterjugend aus der Weimarer Republik

Fotograf: unbekannt, Quelle: BArch Bild 183-P0926-309

1943/44: Sitzung des Nationalkomitees "Freies Deutschland" in der Sowjetunion.

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Dr. Frieder Günther
Historiker am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin

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