Entnazifizierung
Wie unterschied sich die Entnazifizierung in Ost und West?
Bei der Potsdamer Konferenz hatten sich die Alliierten auf das Ziel geeinigt, Deutschland zu „entnazifizieren“, ohne ein entsprechendes Verfahren zu bestimmen. Daher unterschied sich die praktische Durchsetzung in allen vier Besatzungszonen.
Die Amerikaner führten die Entnazifizierung in ihrer Besatzungszone zunächst rigoros durch und gingen dabei sehr kategorisch vor. Die britische und die französische Militärregierung orientierten sich jeweils am Verfahren der Amerikaner, gingen dabei jedoch weniger streng vor. Wichtig war ihnen, bestimmte Wirtschaftszweige wie beispielsweise den Steinkohlebergbau nicht zu gefährden. Sie legten zudem eher einen Schwerpunkt auf die Überprüfung der politischen Eliten – beispielsweise leitende Beamte des öffentlichen Dienstes – als auf die Masse der Bevölkerung. So bestand im Gegensatz zur amerikanischen Zone zum Beispiel keine Registrierungspflicht der gesamten deutschen Bevölkerung.
In der sowjetischen Besatzungszone wurde die Entnazifizierung ebenfalls sehr rigoros angegangen. Sie war dabei vor allem auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbau des Landes hin zum Sozialismus ausgerichtet.
Der zentrale Unterschied zwischen Ost und West liegt jedoch nicht in der Durchführung der Entnazifizierung, sondern in der Art und Weise, wie sie endete. Nachdem die Militärregierungen die Verantwortung für die Entnazifizierung an deutsche Stellen übergeben hatten, wurden die ehemaligen Funktionseliten des „Dritten Reiches“ in den westlichen Besatzungszonen bzw. der Bundesrepublik – bis auf hohe NS-Funktionäre oder nachgewiesenermaßen an NS-Verbrechen Beteiligte – sehr schnell reintegriert. In der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR war das – speziell in der Inneren Verwaltung, der Polizei und dem Justizapparat – nicht der Fall. Hier war das Ziel, eine neue, den Sozialismus unterstützende Funktionselite auszubilden.
Allen vier Zonen gemein war dagegen die Rücksichtname auf Fachleute und technische Spezialisten, welche als besonders wichtig für den Wiederaufbau oder die Forschung angesehen wurden. In diesen Fällen führten sowohl die Militärregierungen als auch später die deutschen Stellen die Entnazifizierung weniger streng durch.
Frederik Schetter
Zur Entnazifizierung in Ost und West
Dr. Franziska Kuschel
Historikerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Dr. Dominik Rigoll
Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam