Entnazifizierung
Wie veränderte sich die Entnazifizierung?
Der mit der Potsdamer Konferenz 1945 eingeläutete Prozess der Entnazifizierung unterlag in der Nachkriegszeit einem starken Wandel. Nach der Kapitulation Deutschlands führten die vier Besatzungsmächte die Entnazifizierung zunächst zum Teil ohne deutsche Mitwirkung per Besatzungsrecht durch. Nachdem die Entnazifizierung vor allem in den ersten Monaten noch von unklaren Strukturen geprägt war, wurde sie in den einzelnen Besatzungszonen zunehmend systematisiert.
Abhängig von der Einstufung in den Entnazifizierungsverfahren nahm die jeweilige Militärregierung Personen fest, entließ sie aus ihrer Arbeit, setzte Beförderungsschranken oder bescheinigte ihnen, dass sie unbelastet seien. Die westlichen Besatzungsmächte und die Sowjetunion gingen dabei sehr unterschiedlich vor. Um die Entnazifizierungsverfahren in allen vier Besatzungszonen zu vereinheitlichen, erließ der Alliierte Kontrollrat 1946 mehrere Direktiven und legte fünf Belastungskategorien fest: Hauptschuldige (I), Belastete (II), Minderbelastete (III), Mitläufer (IV) oder Entlastete (V).
Für eine einheitliche Entnazifizierung in den vier Besatzungszonen sorgte dieses Vorgehen jedoch trotzdem nicht. Beispielsweise übertrugen die Militärregierungen die Verantwortung für die Entnazifizierung zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten an deutsche Stellen. Den Anfang machten dabei die französische und sowjetische Militärregierung bereits Mitte des Jahres 1945. Die Amerikaner legten die Durchführung der Entnazifizierung im März 1946 in deutsche Hände, die Briten erst im Oktober 1947. Alle vier Besatzungsmächte behielten jedoch jeweils die Oberaufsicht über die Durchführung der Entnazifizierung.
Die Militärregierungen – speziell die Amerikaner und die Sowjets – führten die Entnazifizierung anfangs sehr streng durch. Ausnahmen machten sie bei Personen, welche als Sicherheitsexperten bzw. Fachwissenschaftler galten und eine besondere Expertise für den Wiederaufbau oder die Forschung mitbrachten. Mit der Übergabe an deutsche Stellen ging vor allem in den westlichen Zonen eine zunehmende Rehabilitierung NS-Belasteter einher. Ausdruck dessen sind beispielsweise die von den Amerikanern jeweils 1946 erlassene Jugendamnestie und Weihnachtsamnestie. Vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Ost-West-Konfliktes trat die Relevanz der Entnazifizierung Deutschlands zunehmend in den Hintergrund und der Prozess der Rehabilitierung wurde beschleunigt.
Offiziell endete die Entnazifizierung in der sowjetischen Zone schon 1948, während ihr Abschluss im Westen erst 1951 mit dem sogenannten 131er-Gesetz vom Bundestag beschlossen wurde.
Frederik Schetter
Zum Verlauf der Entnazifizierung
Dr. Dominik Rigoll
Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam