Entnazifizierung

Wie ein Entnazifizierungsverfahren verlief, war abhängig vom Zeitpunkt und von der Besatzungszone, in der es stattfand.

Das Entnazifizierungsverfahren in der amerikanischen Zone funktionierte nach einem klaren formalisierten Grundschema. Die Amerikaner verpflichteten zunächst die deutsche Bevölkerung ihrer Besatzungszone sich registrieren zu lassen. Alle Deutschen über 18 Jahre mussten zudem einen zuletzt 131 Fragen umfassenden Fragebogen ausfüllen. Auf dieser Basis bewerteten die amerikanische Militärregierung und – ab März 1946 – deutsche Stellen die NS-Belastung der jeweiligen Personen. In Spruchkammerverfahren teilten öffentliche Kläger auf Basis der Fragebögen die betroffenen Personen vorläufig in fünf Kategorien ein: Hauptschuldige (I), Belastete (II), Minderbelastete (III), Mitläufer (IV) oder Entlastete (V). Je nach Kategorie führte dies zur Inhaftierung oder zum Arbeitsplatzverlust bzw. hatte geringere bis gar keine Konsequenzen. Die Entnazifizierungsverfahren in der britischen und französischen Besatzungszone orientierten sich zunehmend an dem Vorgehen in der amerikanischen Zone; die Entnazifizierung wurde in beiden Besatzungszonen jedoch weniger rigide durchgeführt.

Die Verfahren standen im Gegensatz zum traditionellen Strafrecht. Es galt keine Unschuldsvermutung. Stattdessen mussten die betroffenen Personen belegen, dass sie unschuldig waren. Viele Deutsche ließen sich daher von als unbelastet eingestuften Personen Entlastungsschreiben ausstellen, so auch der spätere Bundesminister des Innern Gerhard Schröder. Im Nachhinein zeigt sich, dass viele dieser sogenannten Persilscheine Beschönigungen enthielten und belastende Informationen nicht aufgeführt waren, um der beschriebenen Person eine „weiße Weste“ nachzuweisen. Das zeigt sich beispielsweise im Fall von Kurt Breull, welcher seine NS-Vergangenheit verschwieg und es sich von einem Bekannten bestätigen ließ.

In der sowjetischen Besatzungszone waren neben der KPD-Führung, dem sowjetischen Geheimdienst und der Militärregierung die neu gebildeten Landesregierungen die zentralen Akteure in der Entnazifizierung. Dies führte anfangs zu regionalen Unterschieden. Ende 1946 vereinheitlichte die sowjetische Militärregierung das Verfahren und richtete auf Länderebene Entnazifizierungskommissionen ein. Diese überprüften, inwieweit eine Person als NS-belastet gelten konnte.

Aktive Mitglieder einer NS-Organisation oder als NS-Verbrecher eingeordnete Personen galten als belastet und wurden bestraft sowie aus politisch relevant angesehenen Positionen entfernt. Personen, denen lediglich eine sogenannte nominelle Mitgliedschaft, aber keine aktive Beteiligung in einer NS-Organisation – beispielsweise durch die Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut oder über Mitgliedsbeiträge hinausgehende finanzielle Zuwendungen – nachgewiesen wurde, galten dagegen als entlastet.

Gegen die angesetzten Strafen oder Maßnahmen konnte in allen Besatzungszonen Berufung eingelegt werden, über die in weiteren Verfahren entschieden wurde.

Frederik Schetter

Die archivierte Mitgliederkartei der NSDAP im Bundesarchiv in Berlin-Zehlendorf, 27. Juni 1996.

Fotograf: Sven Schlegel, Quelle: BArch B 198 Bild-00544

Die archivierte Mitgliederkartei der NSDAP im Bundesarchiv in Berlin-Zehlendorf, 27. Juni 1996.
Die deutsche Bevölkerung beim Ausfüllen von Fragebögen in der Nähe von Hamburg (Britische Besatzungszone).

Fotograf: J. Mapham (Sgt), No 5 Army Film & Photographic Unit, Quelle: IWM BU 7358 (http://www.iwm.org.uk/collections/item/object/205193848)

Die deutsche Bevölkerung beim Ausfüllen von Fragebögen in der Nähe von Hamburg (Britische Besatzungszone).
Beispiel eines ausgefüllten Entnazifizierungsfragebogens aus der Britischen Zone.

Quelle: Deutsches Historisches Museum, Berlin, Do2 2003/269 (Bildausschnitt)

Beispiel eines ausgefüllten Entnazifizierungsfragebogens aus der Britischen Zone.

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