BMI
Robert Lehr
(1883-1956)
Robert Lehr, der zweite Innenminister, bezeichnete sich selbst vor allem als „Polizeiminister“. Bedrohungen für die junge Bundesrepublik sah er sowohl am äußersten rechten als auch linken Rand.
Gegen alle Feinde der Demokratie
Zu seiner Amtseinführung als zweiter Bundesinnenminister sagte Robert Lehr 1950, er sei in erster Linie „Polizeiminister“ mit „Akzent auf Aus- und Aufbau des Sicherheits-Kader“ (Der Spiegel 42/1950). In den nächsten drei Jahren setzte er sich aber auch vehement für eine wehrhafte Demokratie ein. Feinde der Demokratie sah der Innenminister dabei sowohl am äußersten rechten als auch linken politischen Rand.
Bereits zur Zeit der Weimarer Republik hatte Lehr als Polizeipräsident von Düsseldorf Hundertschaften gegen linke Revolutionäre einschreiten lassen. Das brachte ihm den Spitznamen „Kanonen-Lehr“ ein. Ein Fürsprecher der Nationalsozialisten war er aber ebenso wenig. 1933 wurde er in „Schutzhaft“ genommen.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kritisierte er ausdrücklich die Entnazifizierungsverfahren: „Seiner Ansicht nach waren die Ergebnisse der Entnazifizierungen nicht nur unzureichend und den Anforderungen des öffentlichen Dienstes nicht gerecht geworden, sondern sie hätten auch ausgesprochene Exponenten des ‚Dritten Reiches‘ vollständig entlastet“[1], schreibt die Historikerin Irina Stange in der Vorstudie des Forschungsprojektes.
Als Innenminister stellte Lehr im November 1951 innerhalb von nur vier Tagen gleich zwei Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit: einmal gegen die offen neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP), das andere Mal gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Zuvor hatte Lehr mit einem Strafantrag gegen den ehemaligen Generalmajor und SRP-Politiker Otto Ernst Remer den historisch bedeutsamen "Remer-Prozess" angestoßen. In dessen Folge wurde auch juristisch festgestellt, dass der NS-Staat ein Unrechtsstaat gewesen war.
Wenige Monate später, am 23. Oktober 1952, erklärte das Bundesverfassungsgericht die SRP für verboten. Das Ende des Verbotsverfahrens gegen die KPD erlebte Lehr 1956 im Ruhestand. Zwei Monate später starb er.
Jakob Saß
[1] Irina Stange: Personalpolitik, in: Frank Bösch/Andreas Wirsching: Abschlussbericht der Vorstudie zum Thema Die Nachkriegsgeschichte des Bundesministeriums des Innern (BMI) und des Ministeriums des Innern der DDR (MdI) hinsichtlich möglicher personeller und sachlicher Kontinuitäten zur Zeit des Nationalsozialismus, Berlin/München/Potsdam 2015, S. 30.
Lebenslauf
20.8.1883: geboren in Celle
1904-1908: Jurastudium in Marburg, Berlin und Bonn, Promotion zum Dr. jur. in Heidelberg
1912: Gerichtsassessor in Kassel und Rheydt
1913-1924: Arbeit in der Stadtverwaltung Düsseldorf als Polizei- und Finanzdezernent
1924-1933: Oberbürgermeister von Düsseldorf
1929-1933: Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP)
1933: Amtsenthebung durch die Nationalsozialisten, Haft und erzwungener Ruhestand
1935-1945: Mitglied einer Widerstandsgruppe in Düsseldorf
Nach Kriegsende: Mitbegründer der CDU, Oberpräsident der Provinz Nordrhein
1946-1947: Präsident des Landtages Nordrhein-Westfalen
1946-1948: Mitglied und Vorsitzender des Zonenbeirates der Britischen Besatzungszone
1948-1949: Mitglied des Parlamentarischen Rates, zuständig für die Organisation des Bundes, gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion
1949-1953: Abgeordneter im Bundestag
1950-1951: Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
1950-1953: Zweiter Bundesinnenminister
1953: aus Altersgründen Verzicht auf eine erneute Kandidatur
1951: Lehr stellt Strafantrag gegen Otto Ernst Remer wegen Verleumdung, was zum bedeutsamen „Remer-Prozess“ führt, leitet zudem die Verbotsverfahren gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein.
13.10.1956: verstorben in Düsseldorf
Innenminister Lehr besucht den Bundesgrenzschutz 1951.
Innenminister Lehr spricht bei der Eröffnung des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesdisziplinarhofes in Berlin 1953.