MdI

Paul Dubois

(1903-1994)

Ab 1937 Mitglied der NSDAP, des NS-Fliegerkorps und des Reichskolonialbundes – nach 1945 stets parteilos: Wie konnte Paul Dubois trotzdem in eine leitende Funktion im Ministerium des Innern gelangen?

FotografIn: unbekannt / Quelle BArch Pers 101 Bild-047889-001

Portät von Paul Dubois, Datierung ca. 1950

Ein „unpolitischer“ (Wetter-)Forscher

Paul Dubois galt seit den 1930er Jahren als ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Höhenwetterkunde (Aerologie). Seit 1936 arbeitete Dubois beim Aerologischen Observatorium in Lindenberg. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet, galt das Institut als führend im Bereich der Untersuchung höherer Schichten der Atmosphäre und genoss einen exzellenten Ruf. Ab 1939 wurde Dubois zum stellvertretenden Leiter des Lindenberger Observatoriums ernannt. Er blieb formal bis 1945 in dieser Stellung, obwohl nach Kriegsausbruch 1939 praktisch keine Forschung mehr möglich war. Dubois trat 1937 in die NSDAP sowie in das NS-Fliegerkorps und den Reichskolonialbund ein. 

Gegen Kriegsende geriet Dubois in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung im Januar 1946 meldete er sich beim Observatorium in Lindenberg zurück und nahm seine Forschungsarbeit wieder auf. Als Experte für Meteorologie fand er in der SBZ Wiederanstellung in seinem Beruf. Dubois beschreibt rückblickend, er habe sich bewusst für die Tätigkeit in der SBZ entschieden. Die Arbeitsbedingungen in einem staatlich regulierten, nicht kapitalistisch ausgerichteten Forschungssystem sah er als ideal an.

1950 wurde er schließlich Abteilungsleiter im neu gegründeten Meteorologischen Dienst der DDR im MdI und wurde im gleichen Jahr zum Leiter des Aerologischen Observatoriums Lindenberg ernannt. Dubois Arbeitsschwerpunkte lagen in den folgenden zwanzig Jahren auf der detaillierten Untersuchung der physikalischen Zustände der höheren Atmosphäre – damit betrieb er nicht zuletzt Grundlagenforschung, die militärischen Zwecken diente und die sowohl für sowjetische Stellen als auch für die NVA von großem Nutzen war. Schreiben des Innenministeriums aus dieser Zeit loben Dubois Arbeiten als „richtungsweisend und weitsichtig“ und betonen, er habe einen entscheidenden Beitrag zur „Stärkung der Verteidigungsbereitschaft“ der DDR geleistet. Gleichzeitig bescheinigt man Dubois aber auch eine mangelnde „politisch-ideologische Führungs- und Leitungstätigkeit“. Paul Dubois trat nie der SED bei und sah sich selbst zeitlebens als unpolitischer Forscher. Auch seine Karriere während des „Dritten Reiches“ und seine Tätigkeit als Leiter der Wetterdienststellen im besetzten Frankreich, in Belgien und in den Niederlanden betrachtete er rückblickend als unpolitisch.

Lara Büchel

Lebenslauf

4.6.1903: geboren in Frankfurt am Main

1927: Abschluss des Physikstudiums an der Universität Frankfurt am Main

1927–1929 und 1931–1933: Hilfsassistent am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Frankfurt am Main; dort 1929 promoviert

1929–1931: Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Klimaforschung Trier

Ab 1933: Aufbau einer bioklimatischen Forschungsstelle im Harz im Auftrag des Preußischen Meteorologischen Dienstes

1934/35: Forschungen am Observatorium in Danzig

1936: Wissenschaftlicher Angestellter beim Aerologischen Observatorium Lindenberg

1937: Eintritt in die NSDAP, in das NS-Fliegerkorps sowie in den Reichskolonialbund

Ab 1939: Regierungsrat im Reichswetterdienst und stellvertretender Leiter am Aerologischen Observatorium Lindenberg

1940–1945: Leiter der Flugwetterdienststellen im besetzten Frankreich, Belgien und in den Niederlanden

Januar 1946: Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft

Ab 1946: Wissenschaftliche Tätigkeit als Abteilungsleiter des Wetterdienstes in der SBZ

Ab 1950: Leiter des Aerologischen Observatorium Lindenberg und zugleich Leiter der Fachabteilung Observatorien und Forschungsstellen des neu gegründeten zentralen Meteorologischen Dienstes der DDR im MdI

1968: Professur an der Humboldt-Universität Berlin 

1969: Abgabe der Leitung des Aerologischen Observatorium Lindenberg

1973: Ruhestand

1994: gestorben

 

 

Weitere Biografien