MdI
Otto Korfes
(1889-1964)
Der promovierte Archivar Otto Korfes arbeitete von 1920 bis 1937 im Reichsarchiv Potsdam, welches dem Reichsinnenministerium unterstand. Trotz seiner Beschäftigung für das Reichsinnenministerium, seiner ehemaligen Mitgliedschaft in der SA sowie seiner Karriere als Wehrmachtsoffizier wurde Korfes 1948 Leiter des neu gegründeten Deutschen Zentralarchives der SBZ in Potsdam und später Leiter der Staatlichen Archivverwaltung der DDR im MdI.
Inhaltsverzeichnis
Warum ein ehemaliger Wehrmachtsgeneral die Archivverwaltung im MdI aufbauen konnte
1943 geriet Otto Korfes als Divisionskommandeur der Wehrmacht bei Stalingrad in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Während seiner Gefangenschaft wurde er Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) und war später zudem Mitbegründer des Bundes Deutscher Offiziere (BDO). Im NKFD schlossen sich deutsche Kriegsgefangene sowie deutsche kommunistische Emigrantinnen und Emigranten in der Sowjetunion zusammen. In dieser Zeit erarbeitete sich Korfes ebenso das Vertrauen der sowjetischen Führung. Beides half ihm ab 1948 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Fuß zu fassen und seinen Beruf als Archivar wieder aufnehmen zu können.
Nachdem er im Oktober 1948 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, trat er kurz darauf der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD) bei. Im selben Jahr übernahm Korfes, von den sowjetischen Besatzern ausdrücklich ermächtigt, die Leitung des Zentralarchives der SBZ in Potsdam. 1949 wurde ihm die Leitung der neu gegründeten Zentralen Archivverwaltung der DDR, die dem MdI unterstellt war, übertragen.
In diese Position gelangte er einerseits mithilfe der in der Kriegsgefangenschaft entstandenen Netzwerke und durch sein pro-sowjetisches Engagement im NKFD sowie durch seine Expertise als Archivar. Zudem galt das Archivwesen als politisch weniger sensibel. Korfes konnte so durch sein Forschungsfeld seine einstigen Tätigkeiten vor 1945 als politisch unbedeutend darstellen.
Als Leiter der Zentralen Archivverwaltung legte Korfes besonderen Wert auf eine Anstellung einschlägig qualifizierter Fachkräfte, die zumeist in der Weimarer Republik sowie während des „Dritten Reiches“ die Ausbildung am Institut für Archivwissenschaft in Berlin-Dahlem absolviert hatten. Hierbei half Korfes der Rückgriff auf fachliche Netzwerke. Wiedereingestellt wurden damit zugleich auch zahlreiche ehemalige Reichsbeamte sowie ehemalige Angehörige der NSDAP und der SA. Auch frühere NS-„Ostwissenschaftler“ konnten im Rahmen der von Korfes betriebenen Personalpolitik ihre Karriere als Archivare in der DDR fortsetzen.
Die Biographie von Otto Korfes und die beruflichen Kontinuitäten, die er ermöglichte, zeigen, dass sich auch die sowjetische Führung beim Aufbau des MdI in einem Dilemma befand: Sie musste zwischen dringend benötigten Fachkräften und unbelastetem Personal auswählen. So war besonders die Personalpolitik der wissenschaftlichen Dienste des MdI, die politisch als weniger sensibel galten, in der Anfangsphase nicht nur von Brüchen gekennzeichnet. Korfes wurde letztlich 1952 zum neuen Leiter der historischen Abteilung der Kasernierten Volkspolizei ernannt. Dort blieb er bis zu seiner Pensionierung 1956. Anlässe und Hintergründe der Abberufung von Korfes als Leiter des DDR-Archivwesens sind im Einzelnen nicht bekannt.
Stella Krekeler
Lebenslauf
23.11.1889: geboren in Wenzen/Niedersachsen
1909: Eintritt als Fahnenjunker in ein Infanterie-Regiment
1914-1918: Militärdienst an der Westfront während des Ersten Weltkrieges
1920: Ausscheiden aus dem aktiven Dienst der Reichswehr, Ehrentitel des Majors
April 1920-Juni 1937: Archivar im Reichsarchiv Potsdam, bis 1922 Personalreferent, seit 1923 in der Abteilung „Kriegswirtschaftsgeschichte“, zuletzt als Oberregierungsrat in der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres in Potsdam
1923: Promotion an der Universität Berlin
1922-1925: Studienaufenthalte in Nord- und Südeuropa
Ab April 1933: Tätigkeit in der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres
1935: Reaktivierung als Major der Reserve für die Wehrmacht
1937: Ernennung zum Bataillonskommandeur, ab 1940 Regimentskommandeur
Januar 1943: Ernennung zum Generalmajor und Divisionskommandeur
Februar 1943: Kriegsgefangenschaft vor Stalingrad
1943-1948: in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, Engagement im Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD), Bekanntschaft und Zusammenarbeit u.a. mit Walter Ulbricht, Mitbegründer des Bundes Deutscher Offiziere (BDO)
1948: Rückkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft nach Potsdam
1948: Leiter des Deutschen Zentralarchivs Potsdam
1949-1952: Leiter der Hauptabteilung Archivwesen im MdI
Ab 1948: Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD)
1952-1956: Leiter der historischen Abteilung des MdI als Generalmajor der Kasernierten Volkspolizei und stellv. Leiter des Stabes der Operativabteilung der Kasernierten Volkspolizei
1958-1964: Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Offiziere
24.8.1964: verstorben in Potsdam