BMI
Hermann Höcherl
(1912-1989)
Nach Gerhard Schröder wurde mit Hermann Höcherl 1961 ein weiteres ehemaliges NSDAP-Mitglied zum Bundesinnenminister ernannt. Die Hintergründe seiner Mitgliedschaft wurden 1965 bekannt.
Der zweite Bundesinnenminister mit einer NSDAP-Mitgliedschaft
Am 6. Oktober 1965, kurz vor der Bundestagswahl, schrieb das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter der Rubrik „Panorama“ über den noch amtierenden Bundesinnenminister:
„Hermann Höcherl (CSU), dessen Verbleiben im Amt ungewiß ist, trat - wie erst jetzt bekannt wurde - bereits am 7. November 1931 als 19jähriger Jura-Student in die NSDAP ein; Mitte 1932 trat er wieder aus, am 1. Mai 1935 wurde er - inzwischen Gerichtsreferendar - abermals Parteigenosse (Mitgliedsnummer: 3 652 084). Höcherl, der sich später freiwillig zum Kriegsdienst meldete und Führer einer Nebelwerfer-Batterie wurde: ‚Mein Instinkt von 1932 war wohl der richtige.‘“
Höcherl war noch vor dem Studium 1931 in die NSDAP eingetreten, allerdings laut eigenen Angaben nicht als Sympathisant von Adolf Hitler, sondern des „Reichsorganisationsleiters“ Gregor Strasser. Als dieser Ende 1932 aus der Parteiführung ausschied, trat auch Höcherl wieder aus der Partei aus. Nichtsdestotrotz habe er in München den 30. Januar 1933, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, mit Begeisterung erlebt. In der Nachkriegszeit zeigte er sich kaum kritisch gegenüber seiner damaligen Haltung. Als 20-Jähriger habe er noch nicht vermocht, die Situation von 1933 zu durchschauen.
Es ist nicht bekannt, warum Höcherl 1935 wieder in die NSDAP eintrat, aber für seine juristische Karriere war dieser Schritt sicher hilfreich. Die politischen Motive der Partei habe er erst nach dem Novemberpogrom 1938 kritisch gesehen, wie er später behauptete. 1942 wurde er zum Staatsanwalt ernannt, meldete sich aber im gleichen Jahr noch freiwillig zur Wehrmacht.
Eine grundlegende nationalsozialistische Gesinnung oder gar NS-Verbrechen warf man Höcherl nach dem Krieg bei der Entnazifizierung nicht vor. Mit seinem Wirken im BMI distanzierte sich Höcherl deutlich vom Nationalsozialismus – auch vom aufgekommenen Rechtsradikalismus oder von rechten Parteien wie der NPD. Die Nachricht von 1965 über seine ehemalige NSDAP-Mitgliedschaft war angesichts seiner Politik keine Skandalmeldung mehr wert. Als man im selben Jahr parteiübergreifend über die bevorstehende Verjährung von NS-Morden diskutierte, stand er als Innenminister im Gegensatz zu seinem Unionskollegen Ernst Benda einer Verlängerung oder gar einer Abschaffung der Verjährungsfrist zunächst noch eher zögerlich gegenüber. Bei der zweiten Verjährungsdebatte 1969 setzte er sich dagegen selbst erfolgreich für den Vorschlag ein, die Zeitspanne zur Ahndung von NS-Verbrechen um weitere zehn Jahre auszudehnen.
Jakob Saß
Lebenslauf
31.3.1912: geboren in Brennberg bei Regensburg
1931-1932: Mitglied der NSDAP
1931-1934: Studium der Rechts- und Staatswissenschaften
1935-1945: erneute Mitgliedschaft in der NSDAP
1938-1940: Gerichtsassessor in Regensburg
1942: Ernennung zum Staatsanwalt
1942-1945: Freiwilliger Eintritt in die Wehrmacht, Kriegsdienst in Polen, später an den Fronten in Griechenland, Finnland und Russland, zuletzt als Leutnant und Batteriechef in Ostpreußen, amerikanische Kriegsgefangenschaft
Nach Kriegsende: Eintritt in die CSU, Gelegenheitsarbeiter im Rohrleitungsbau
1948-1951: Rechtsanwalt, Tätigkeit im Staatsdienst, ab 1950 Staatsanwalt am Landgericht Deggendorf
Ab 1949: Arbeit für die CSU in Regensburg, danach Bezirksvorstand Oberpfalz und Delegierter in der Landesversammlung Bayern
1951-1953: Amtsgerichtsrat und Vorsitzender des Schöffengerichtes in Regensburg
Seit 1952: Mitglied des Kreistages im Landkreis Regensburg und dort Vorsitzender der CSU-Fraktion
1953-1976: Mitglied des Deutschen Bundestages
1957-1961: Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
1961-1965: Vierter Bundesinnenminister
1965-1969: Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
1969-1971: stellvertretender Vorsitzender der CSU-Landesgruppe und zugleich Vorsitzender des Vermittlungsausschusses im Bundestag
1971-1976: Vorsitzender des Arbeitskreises „Haushalt, Steuern, Geld und Kredit“ der CDU/CSU-Fraktion
Seit 1976: Schlichter im Tarifbereich und in mehreren Untersuchungsausschüssen
18.5.1989: verstorben in Regensburg
Minister Höcherl spricht, hier in seiner Funktion als Sportminister, bei der Wahl zum Sportler des Jahres 1965.