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Gerhard Schröder
(1910-1989)
Als ehemaliges NSDAP- und SA-Mitglied war Gerhard Schröder bei seinem Entnazifizierungsverfahren auf positive Aussagen früherer Weggefährten angewiesen. Diese hoben seine Distanzierung zum NS-Regime hervor – und sorgten so für seine Entlastung.
Ein Parteimitglied wird "entlastet"
„Paragr. 5 wird zugebilligt, da nach vorliegendem Fragebogen nur nominelles Mitglied. Der Ausschuss schließt sich der Stellungnahme des Komitees an. Gegen Beschäftigung keine Bedenken.“[1]
Mit diesen Worten empfahl der Entnazifizierungsausschuss 1947, Gerhard Schröder offiziell in die Kategorie V und somit als entlastet einzustufen. Zu diesem Zeitpunkt war der spätere Bundesminister des Innern gerade dabei, sich in der Landespolitik Nordrhein-Westfalens zu etablieren. Der Entnazifizierungsausschuss folgte bei seinem Urteil den Aussagen mehrerer Weggefährten Schröders, wonach dieser trotz seiner NSDAP-Mitgliedschaft ein überzeugter Gegner des Nationalsozialismus gewesen sei.
Der NSDAP war Schröder 1933 beigetreten – nach eigener Darstellung, um seine Berufschancen als Jurist zu sichern. Gleichzeitig war Schröder lange Sympathisant und ab Januar 1938 auch Mitglied der Bekennenden Kirche, deren Vertreter insbesondere die Religionspolitik des NS-Regimes zum Teil sehr offen kritisierten. Er arbeitete zudem mehrere Jahre in der Rechtskanzlei Walter Schmidts – einer Kanzlei mit zeitweise mehreren jüdischen Partnern und einer internationalen Klientel.
Nach seiner Einberufung zum Militär heiratete er 1941 Brigitte Landsberg, die nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Halbjüdin“ galt. Aufgrund dieser Ehe musste Schröder mit beruflichen Nachteilen rechnen, zum Beispiel hinsichtlich einer Karriere innerhalb der Wehrmacht. Die nationalsozialistische Politik sah vor, die Wehrmacht als unpolitische Institution zu präsentieren. Die NSDAP-Mitgliedschaft der Wehrmachtsangehörigen ruhte daher für die Dauer des aktiven Wehrdienstes. Schröders dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstehende innere Haltung und der Umstand, nicht gleichzeitig NSDAP-Mitglied und Wehrmachtsangehöriger sein zu können, fielen so zusammen – und er trat noch deutlich vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus der NSDAP aus. Wann genau er seine Parteimitgliedschaft beendete, lässt sich allerdings nicht eindeutig ermitteln. Auf seinem Entnazifizierungsfragebogen gab Schröder selbst den 1. Mai 1941 als Datum an, laut seiner NSDAP-Mitgliedskartei war Schröder bis spätestens September 1943 ausgetreten. Nach Ansicht seiner politisch einflussreichen Fürsprecher könne die Parteizugehörigkeit ignoriert werden.
Seine kurzzeitige Mitgliedschaft in der SA unterschlug Schröder im Entnazifizierungsverfahren und trug so zu einem für ihn positiven Ausgang bei. In die SA war er Ende des Jahres 1933 eingetreten, hatte sich nach seinem Umzug von Bonn nach Berlin im Oktober 1934 jedoch offenbar nicht bei der Berliner SA gemeldet und so die Mitgliedschaft auslaufen lassen. Auch seine Entlastungzeugen erwähnten – ob bewusst oder aus Unkenntnis lässt sich nicht eindeutig ermitteln – die SA-Mitgliedschaft nicht.
Schröder wurde während seines politischen Lebens sein Eintritt in die NSDAP und in die SA immer wieder vorgeworfen. Er verteidigte sich mit der Aussage, eine Parteimitgliedschaft bedeute „nicht notwendig, dass jemand in seinem Innern Nazi war“ [2].
Frederik Schetter
[1] Entnazifizierungsausschuss der Stadt Düsseldorf, Entnazifizierungsentscheidung für Gerhard Schröder vom 22.02.1947, in: LAV NRW R, NW 100/2482/003.
[2] Der Spiegel, 3. Februar 1960.
Lebenslauf
11.9.1910: geboren in Saarbrücken
1929-1936: Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Königsberg, Edinburgh, Berlin und Bonn, Abschluss mit der Promotion
1933: Eintritt in die NSDAP
Ende 1933-1934/35: SA-Mitglied
1934-1936: Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht in Berlin
1936-1939: Anwaltsanwärter in einer Berliner Anwaltspraxis mit jüdischen Partnern und internationaler Klientel
Januar 1938: Eintritt in die Bekennende Kirche
1939: Zulassung als Rechtsanwalt
1939-1945: Militärdienst, siebenmonatige Freistellung für Rechtsanwaltstätigkeit, Verwundung an der Ostfront
1941: Heirat mit Brigitte Landsberg, die nach den Nürnberger Rassegesetzen „Halbjüdin“ war
zwischen Mai 1941 und September 1943: Austritt aus der NSDAP
1945 nach Kriegsende: britische Kriegsgefangenschaft, Gründungsmitglied der CDU
1945-1946: persönlicher Referent beim Oberpräsidenten der Nordrhein-Provinz)
1946-1947: Entnazifizierungsverfahren in Britischer Besatzungszone: Kategorie V (entlastet)
1946-1947: Referent im Innenministerium des neugegründeten Landes Nordrhein-Westfalen
1949-1980: CDU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag
1953-1961: Bundesminister des Innern
1961-1966: Bundesminister des Auswärtigen
1966-1969: Bundesminister der Verteidigung
1969: Niederlage bei Bundespräsidentenwahl gegen Gustav Heinemann
31.12.1989: verstorben auf Sylt
Innenminister Schröder bei einem Manöver des Bundesgrenzschutzes 1958.