BMI
Franz Herrmann
(1886-1967)
Franz Herrmann war einer der wenigen leitenden Mitarbeiter des BMI mit einem Schicksal als Verfolgter des NS-Regimes. 1952 wurde der bis dahin im chilenischen Exil lebende Herrmann ins BMI berufen und zum Leiter der Abteilung „Wiedergutmachung“ ernannt.
Ein NS-Verfolgter wird Leiter der Abteilung „Wiedergutmachung“ im BMI
Am 11. Mai 1951 verabschiedete der Bundestag das „Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes“. Die Hausleitung des BMI wollte die Wiedergutmachung so reibungslos wie möglich durchführen und suchte daher einen geeigneten Kandidaten für die Leitung einer neu geplanten Unterabteilung. Ende 1951 bekam der Staatssekretär im BMI, Hans Ritter von Lex, einen Hinweis, dass „der ausgezeichnet qualifizierte frühere Ministerialrat Dr. Herrmann“[1] aus dem Exil in Chile zurückkehren wolle (siehe Bild rechts). Gemeint war der Emigrant Franz Herrmann.
Nach Jura-Studium, Promotion und Tätigkeit als Staatsanwalt war Herrmann 1927 ins preußische Justizministerium in Berlin berufen worden. Hier leitete er das Referat für politische Strafsachen und zeigte vor allem gegen NSDAP-Angehörige eine strenge Haltung. Bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutete das Berufsbeamtengesetz im Sommer 1933 das Ende seiner Karriere. Er kam wegen seiner jüdischen Herkunft für ein halbes Jahr in die Konzentrationslager Oranienburg, Börgermoor und Lichtenberg und emigrierte nach seiner Entlassung über die Schweiz nach Chile.
Seit Ende 1951 bemühten sich Staatssekretär Ritter von Lex, BMI-Personalchef Sklode von Perbandt und Kanzleramtschef Hans Globke intensiv, Herrmann zurück nach Deutschland zu holen, obwohl dieser mit 65 Jahren das Pensionsalter bereits erreicht hatte. Nach der Verabschiedung des „Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes“ erwartete das BMI „eine Flut von Anträgen“[2] auf Wiedergutmachung. Herrmann schien Ritter von Lex als der geeignete Beamte für dieses Referat. Auch Sklode von Perbandt hielt Herrmanns Berufung für „dringend geboten“[3], auch aus Gründen der Einstellungspolitik im BMI und anderen Ministerien (siehe Bild rechts).
Neben dem Wiedergutmachungsgesetz hatte der Bundestag 1951 noch ein zweites weitreichendes Gesetz erlassen, das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen“. Mit diesem Bundesgesetz hatten Beamte und Militärs des „Dritten Reiches“, die 1945 ihre Anstellung verloren hatten, seit 1951 einen Anspruch auf eine Wiedereinstellung. Zu Tausenden strömten diese „131er“ nun „zurück bis an die Spitzen der Ministerialbürokratien“, schreibt der Historiker Dominik Rigoll: „Dort ersetzten sie nicht selten die in der unmittelbaren Nachkriegszeit aufgrund ihrer weißen Weste rekrutierten Bediensteten“[4].
Opferverbände protestierten damals vehement, wenn ehemalige NS-Beamte besonders in Wiedergutmachungsbehörden eingesetzt wurden. Die Einstellung Herrmanns folgte daher auch einem politischen Kalkül, wie aus der Begründung von BMI-Personalchef Sklode von Perbandt ersichtlich ist: Es werde der „inneren Befriedung“ in der jungen Bundesrepublik dienen, schrieb er, wenn „menschlich und fachlich besonders geeignete Referenten, die selbst durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft unmittelbar hart betroffen worden sind, die entscheidenden Arbeiten leisten“[5]. Herrmann gehörte damit zu den wenigen NS-Verfolgten, die gezielt auf leitende Positionen geholt wurden.
Jakob Saß
[1] Staatssekretär Ritter von Lex an Z 1, Bonn 17.12.1951, in: Bundesarchiv Koblenz (BArchK) Personalakte 101/49390.
[2] Staatssekretär Ritter von Lex an Z 1, Bonn 17.12.1951, in: Bundesarchiv Koblenz (BArchK) Personalakte 101/49390.
[3] Von Perbandt an das Bundesfinanzministerium, 28.01.1952, in: BArch, PERS 101/49390.
[4] Dominik Rigoll: Innere Sicherheit, in: Abschlussbericht der Vorstudie zum Thema Die Nachkriegsgeschichte des Bundesministeriums des Innern (BMI) und des Ministeriums des Innern der DDR (MdI) hinsichtlich möglicher personeller und sachlicher Kontinuitäten zur Zeit des Nationalsozialismus, Potsdam / Berlin / München 2015, S. 55-65, hier: S. 64, Link.
[5] Von Perbandt an das Bundesfinanzministerium, 28.01.1952, in: BArch, PERS 101/49390.
Lebenslauf
29.12.1886: geboren in Berlin
1905-1909: Jurastudium
1910: Promotion in Jena
1914-1927: verschiedene juristische Stellungen, unter anderem im Amtsgericht Berlin-Mitte, im Kammergericht und in der Staatsanwaltschaft I Berlin
ab 1917: Teilnahme am Ersten Weltkrieg
1927: Referatsleiter für politische Strafsachen im Preußischen Justizministerium
1933: Entlassung aus dem Staatsdienst nach § 4 des Berufsbeamtengesetzes,
August bis Dezember 1933: Haft in den Konzentrationslager Oranienburg, Papenburg-Börgermoor und Lichtenberg
1938/39: Emigration über Italien und die Schweiz nach Chile
1952: Rückkehr nach Deutschland,
bis zu seinem Tod Leiter der neuen Abteilung „Wiedergutmachung“ im BMI
7.3.1967: verstorben in Bonn