BMI

Ernst Benda

(1925-2009)

Der sechste Bundesinnenminister Ernst Benda war der Vertreter einer neuen Generation im BMI, die den demokratischen Umbruch nach 1945 als einmalige Chance wahrnahm, mit der NS-Vergangenheit zu brechen. Dafür hatte sich Benda bereits in der Verjährungsdebatte 1965 eingesetzt.

Ernst Benda Pfeife rauchend auf dem 22. Bundesparteitag der CDU in Hamburg, November 1973.

Fotograf: Engelbert Reineke, Quelle: BArch B 145 Bild-F041440-0013

Ernst Benda auf dem 22. Bundesparteitag der CDU in Hamburg, November 1973.

„NS-Morde dürfen nicht verjähren!“

Am 10. März 1965 diskutierte der Bundestag, ob NS-Morde im Einklang mit dem Strafgesetzbuch zwanzig Jahre nach Kriegsende verjähren dürften, oder ob die Verjährungsfrist für Mord verlängert bzw. gleich ganz aufgehoben werden sollte. Weite Teile der CDU/CSU-Fraktion stimmten in dieser Verjährungsdebatte für eine Verjährung und damit für einen Schlussstrich in der Vergangenheitspolitik. Ernst Benda nicht.

Der CDU-Nachwuchspolitiker Benda wurde zu einem der stärksten Vertreter derjenigen, die einen Antrag auf Nichtverjährbarkeit von NS-Morden stellten. Für sie stünde über allen juristischen Argumenten die moralische Erwägung, „dass das Rechtsgefühl eines Volkes in unerträglicher Weise korrumpiert werden würde, korrumpiert werden müsste, wenn Morde ungesühnt bleiben müssten, … obwohl sie gesühnt werden können.“[1]

Benda wollte nicht akzeptieren, dass NS-Mörder nicht mehr weiter verfolgt werden würden:

„Ich bestehe darauf zu sagen, dass dieses deutsche Volk doch kein Volk von Mördern ist und dass es diesem Volke doch erlaubt sein muss, … dass es mit diesen Mördern nicht identifiziert wird, sondern dass es von diesen Mördern befreit wird, … besser gesagt, … sich selber von diesen Mördern befreien kann.“[2]

Zum Ende seiner Rede zitierte Benda einen hebräischen Spruch aus der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem:

„Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.“[3]

Dafür bekam er von allen Seiten des Hauses anhaltenden Beifall. Martin Hirsch (SPD) lobte ihn daraufhin sogar als „Sprecher unserer jungen deutschen Generation“[4]. Der spätere Bundesinnenminister hatte damit maßgeblich Anteil daran, dass die endgültige Verjährung vorerst verhindert wurde.

Während seiner kurzen Zeit als Innenminister zwischen 1968 und 1969 zeigte er eine ähnlich kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und den Kontinuitäten in der Bundesrepublik. So ließ er beispielsweise Belastungsmaterial für einen Verbotsantrag gegen die NPD sammeln und ein Rechtsgutachten erstellen, das unter anderem belegte, dass in der Partei rassistische Gedanken im Umlauf seien.

Das reichte aber nicht aus. Die Bundesregierung – einschließlich Benda – kam 1969 daher zu dem Schluss, dass ein Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Erfolg gehabt hätte.

Als es 2007 eine neue Diskussion um ein NPD-Verbot gab, sagte der pensionierte Politiker, er bereue die damalige Entscheidung, keinen Antrag zu stellen: „Hätten wir den Mut gehabt, das Verfahren einzuleiten, hätten wir das Problem heute nicht mehr“[4], sagte Benda.

Jakob Saß

 

[1] Deutscher Bundestag, 170. Sitzung, Bonn, 19.3.1965, Link (S. 8524).

[2] Deutscher Bundestag, 170. Sitzung, Bonn, 19.3.1965, Link (S. 8526).

[3] Ebd.

[4] Thorsten Jungholt: Ex-Verfassungsrichter für Ende der NPD-Debatte, in: WELT Online, 26.11.2007, Link.

Bundesinnenminister Ernst Benda mit seiner Sekretärin Gisela Reitzer am Schreibtisch im Ministerbüro, Bonn 3. April 1968.

Fotograf: Georg Munker, Quelle: BArch B 145 Bild-00078776

Bundesinnenminister Ernst Benda mit seiner Sekretärin Gisela Reitzer am Schreibtisch im Ministerbüro, Bonn 3. April 1968.
Ernst Benda wird am 2. April 1968 im Bonner Bundestag als Bundesminister des Innern vereidigt.

FotografIn: unbekannt, Quelle: Bundesregierung B 145 Bild-00118717

Ernst Benda wird am 2. April 1968 im Bonner Bundestag als Bundesminister des Innern vereidigt.

Mehr zum Thema Mentalität und Prägung

Lebenslauf

15.1.1925: geboren in Berlin

1943-1945: Kriegsdienst bei der deutschen Marine als Funker bei der Schnellbootlehrdivision, zum Schluss als Obergefreiter

1946: Eintritt in die CDU

1946-1951: Jurastudium in Berlin und Madison/Wisconsin

1948: Mitbegründer und Lizenzträger der militanten, antikommunistischen Organisation „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) in West-Berlin

1951: Mitbegründer des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), bis 1952 Vorsitzender

1951-1954: Bezirksverordneter des Berliner Bezirks Spandau, dort CDU-Fraktionsvorsitzender

1951-1955: Erste und zweite juristische Staatsprüfung

1952-1954: Vorsitzender der CDU-Hochschulgruppe und der Jungen Union Berlin

1955-1957: Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin

1956-1971: Arbeit als Rechtsanwalt in Berlin

1957-1971: Abgeordneter im Deutschen Bundestag

1967-1968: Parlamentarischer Staatssekretär im BMI

1967-1970: Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

1968-1969: Sechster Bundesinnenminister

1971-1983: Präsident des Bundesverfassungsgerichtes

1992-2008: Präsident des Medienrates Berlin-Brandenburg

2.3.2009: verstorben in Karlsruhe

Innenminister Benda spricht zur Verjährungsdebatte bezüglich der strafrechtlichen Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten 1965.

Innenminister Benda besucht in seiner Funktion als Sportminister die Sporthochschule Mittelrhein in Hennef 1969.

Weitere Biografien