BMI

Carl Diem

(1882-1962)

Über sechs Jahrzehnte und in vier Regierungssysteme prägte Carl Diem als Funktionär sowohl den deutschen als auch den olympischen Sport.

 

Fotographie: Agentur Schirner Köln, Quelle: Deutsches Historisches Museum, Berlin BA009958

Carl Diem in seinem Arbeitszimmer in der Kölner Sporthochschule, 1962

Sportfunktionär von Beginn an

Die Grundlagen für seine Karriere als Sportfunktionär legte Carl Diem bereits im Kaiserreich, als er 1899 den Sport-Club „Marcomannia Berlin“ gründete. Seit 1901 arbeitete er als Journalist für die Zeitschrift „Kraft und Gewandtheit“ und berichtete über Ereignisse aus der Berliner Sportszene. Zwei Jahre später wurde er zum Schriftführer der Deutschen Sportbehörde für Athletik gewählt. Daran anknüpfend war er im November 1904 Mitbegründer des Verbandes Berliner Athletik-Vereine und wurde im Folgejahr zum Präsidenten desselben gewählt.

Als Anhänger der Olympischen Bewegung hatte Diems Teilnahme an den Olympischen Spielen des Jahres 1906 als Mannschaftsbetreuer und Journalist eine prägende Wirkung auf ihn. 1913 wurde er selbst mit der Organisation der Olympischen Spiele beauftragt, die drei Jahre später in Berlin stattfinden sollten, aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verschoben wurden.

Trotz seines Einsatzes als freiwilliger Soldat übernahm Diem 1917 die Position des Generalsekretärs des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen. Dadurch war er maßgeblich an der Gründung der „Deutschen Hochschule für Leibesübungen“ beteiligt, einer eigenständigen Institution zur Sportlehrerausbildung sowie für die sportwissenschaftliche Forschung. Für Diem besaß der Sport einen besonderen Kampfcharakter, weshalb er nach dem Verbot der Wehrpflicht durch den Versailler Vertrag „Sport als Wehrersatz“ befürwortete.

Die Nationalsozialisten zwangen Diem von seinen Ämtern im Reichsausschuss und an der Hochschule zurückzutreten. Gründe dafür waren möglicherweise sein Nichteintreten in die NSDAP oder, wie von ihm selbst vermutet, seine engen Kontakte zu jüdischen Sportlern und Funktionären. Seinen Posten als verantwortlicher Generalsekretär des Organisationskomitees für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin konnte Diem jedoch behalten. In diesem Kontext entwickelte er das Konzept des bis heute üblichen Fackellaufes zur Eröffnung der Spiele. Daran anschließend übernahm er 1938 die Leitung des Internationalen Olympischen Institutes in Berlin und weitere prominente Ämter, in denen er sich an Propagandaaktionen der Nationalsozialisten beteiligte. In dieser Zeit verfasste und veröffentlichte er außerdem eine Vielzahl an ideologischer und wissenschaftlicher Literatur, die zu einem Großteil als NS-Sportpropaganda gewertet werden kann. In den letzten Kriegstagen rief er bei der sogenannten Sparta-Rede im Kuppelsaal des Berliner Olympiageländes Angehörige der Hitler-Jugend (HJ) und des Volkssturmes zu einem „finalen Opfergang für den Führer“ auf. Diems Wirken während des Nationalsozialismus ist heute umstritten, unter anderem sichtbar an der Diem-Debatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Diem eine Anstellung als Lehrbeauftragter an der Humbold-Universität in Berlin, wo er das „Institut für körperliche Erziehung und Schulhygiene“ leitete. 1947 gründete er die „Deutsche Sporthochschule“ in Köln und übernahm den Posten des Rektors. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Sportwissenschaft und seinem engen Kontakt zu Hans Ritter von Lex wurde er 1949 vom Bundesministerium des Innern (BMI) als nebenamtlicher Referent für Sport angestellt. Zwar gab es aufgrund seines Verhaltens während des Nationalsozialismus öffentlichen Widerspruch gegen die Besetzung, doch das BMI setzte sich schließlich durch. Somit stellte Diem die Weichen für den Aufbau des Sports nach 1949 und orientierte sich dabei an seinen bisher gemachten Erfahrungen aus den vergangenen vier politischen Systemen: Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Besatzungszeit.

Anne Sebastian

Fotograf: Georg Pahl, Quelle: BArch Bild 102-05459

Die Führer der deutschen Olympiamannschaft Staatsekretär Lewald (links) und Dr. Diem (rechts), Februar 1928 St. Moritz.
Gustav Böß und Carl Diem am 20. Juni 1925 in Berlin.

Fotograf: Georg Pahl, Quelle: BArch Bild 102-01562

Gustav Böß (rechts) und Carl Diem (links), 20. Juni 1925, Berlin.

Mehr über Aufbau und Organisation

Lebenslauf

24.6.1882: geboren in Würzburg

1904: Gründung des „Verband Berliner Athletik-Vereine“

1904-1905: Heeresdienst als Freiwilliger

1904-1906: Studium der Philologie

1908: Vorsitzender der „Deutschen Sportbehörde für Athletik“

1913-1933: Generalsekretär des „Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele“, ab 1917 umbenannt in „Dt. Reichsausschuss für Leibesübungen“

1914-1918: Teilnahme am Ersten Weltkrieg (freiwillige Meldung)

1920: Konzeption der „Reichsjugendwettkämpfe“ (Vorläufer der heutigen Bundesjugendspiele)

1921: Mitbegründer und Prorektor der „Deutschen Hochschule für Leibesübungen“ Berlin-Charlottenburg sowie Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät der Universität Berlin

1930-1933: Lehrauftrag der Berliner Universität für Sportwissenschaften

1932-1937: Organisationskomitee für die XI. Olympiade Berlin 1936

1934: Durch die Nationalsozialisten als „politisch unzuverlässig“ eingestuft und infolge dessen aus seinen Ämtern als Generalsekretär des Reichsausschusses für Leibeserziehungen, als Prorektor der Deutschen Hochschule für Leibesübungen und als Dozent der Berliner Universität entlassen

1938-1945: Direktor des Internationalen Olympischen Institutes in Berlin, Veröffentlichung einer Vielzahl ideologischer und wissenschaftlicher Literatur

März 1945: Aufruf zum „finalen Opfergang für den Führer“ während des Volkssturmes

1945: Lehrbeauftragter an der Universität Berlin, Leitung des „Instituts für Körpererziehung und Schulhygiene“

1947: Rektor der von ihm gegründeten „Hochschule für Leibesübungen“ in Köln

1949-1952: Mitglied des Deutschen Olympischen Komitees

1949-1953: nebenamtlicher Referent für Sport im Bundesministerium des Innern

17.12.1962: verstorben in Köln

Weitere Biografien