Personalpolitik

Welche personellen Kontinuität aus der NS-Zeit gab es?

Die personellen Kontinuitäten aus der Verwaltung des Reichsministeriums des Innern waren im BMI vergleichsweise gering. In den Anfangsjahren beträgt der Anteil derjenigen, die bereits im Nationalsozialismus für das Innenministerium tätig gewesen waren, 23 Prozent. Bis 1961 fällt dieser Wert jedoch auf unter 10 Prozent. Viele der neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren allerdings ebenfalls vor 1945 in staatlichen Aufgabenbereichen eingesetzt gewesen und verfügten daher über Erfahrungen in der Verwaltungsarbeit. Wird jedoch die Mitgliedschaft in der NSDAP als das Hauptkriterium für Kontinuitäten aus der NS-Zeit verstanden, ergibt sich ein anderes Bild. Die Anzahl ehemaliger NSDAP-Mitglieder in den leitenden Positionen ab den Referatsleitern aufwärts lag im BMI lange Zeit bei über 50 Prozent. 1961 erreichte ihr Anteil seinen Höchststand von 66 Prozent. Anschließend nimmt der Wert kontinuierlich ab. Dass sich personelle Kontinuitäten aus der NS-Zeit durchaus auch auf die fachliche Arbeit des Ministeriums auswirken konnten, verdeutlicht die Biografie von Kurt Breull. Hier zeigt sich, wie nationalsozialistisches Gedankengut Einfluss auf die Sachpolitik der neuen Bundesrepublik nehmen konnte.

Trotz ihres Selbstverständnisses als antifaschistischer Staat verzichtete auch die DDR nicht gänzlich auf die Beschäftigung von Fachkräften mit NS-Vergangenheit. Doch bleibt ihre Zahl weitaus geringer als dies im BMI der Fall war. Der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder unter den Angestellten des MdI betrug im Untersuchungszeitraum bis 1970 durchschnittlich 14 Prozent. Bemerkenswerte Unterschiede bestehen innerhalb des MdI zwischen dem Bereich der "bewaffneten Organe" und jenem der zivilen und wissenschaftlichen Dienste. Im als besonders sensibel erachteten polizeilichen Dienst lag der Wert ehemaliger NSDAP-Mitglieder im Zeitraum bis 1970 bei durchschnittlich 7 Prozent, in den zivilen und wissenschaftlichen Abteilungen dagegen bei durchschnittlich 20 Prozent. Die nicht sicherheitsrelevanten Aufgabenbereiche des Ministeriums galten einerseits als weniger anfällig für den Einfluss ideologischer Gegner. Andererseits erforderten gerade die wissenschaftlichen Bereiche Spezialisten, deren Stellen nur schwer mit geeigneten und zugleich unbelasteten Kandidaten zu besetzen waren. Dies führte dazu, dass sich im Archivwesen sowie dem Wetterdienst der DDR im MdI Netzwerke von Forschern zusammenfanden, die sich ausgehend von einer gemeinsam vor 1945 absolvierten Ausbildung oder ihrer gemeinsamen fachlichen Tätigkeit kannten.

David Schwalbe

Zu personellen Kontinuitäten

Dr. Franziska Kuschel
Historikerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Zur Sachpolitik

Dr. Dominik Rigoll
Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

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