Mentalität und Prägung

Gab es in der Arbeit der Ministerien inhaltliche Kontinuitätslinien zum NS?

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Ideen des Nationalsozialismus und seine Anhänger nicht verschwunden. In den beiden neu gegründeten Staaten stellten die Behörden Personal ein, das schon im NS-System beruflich tätig gewesen war, darunter auch ehemalige Angehörige der NSDAP, SS und SA. Hatte diese formale NS-Belastung auch Auswirkungen auf die fachliche Arbeit der Innenministerien?

Viele BMI-Mitarbeiter hatten bereits im Dienst des „Dritten Reichs“ gestanden. Die ideologische Prägung aus der Zeit des Nationalsozialismus war bei ihnen nach 1945 nicht sofort verschwunden, sondern sie wirkte sich auch auf ihre inhaltliche Arbeit im Ministerium aus. Zum Beispiel trafen Beamte im Referat für Aufenthalts- und Ausländerrecht Entscheidungen, die immer noch von antisemitischen Einstellungen geprägt waren. Auch in der Kulturabteilung lässt sich eine Zensurpraxis erkennen, die an Denkmuster aus der NS-Zeit erinnert. Ihre Wurzeln hat sie aber in noch früherer Zeit. Sie knüpfte stellenweise an Gesetzesvorlagen aus den 1870er Jahren, also der Kaiserzeit, an und hatte auch Vorbilder in der Weimarer Republik.

 

In der Führungsebene des MdI gab es keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die schon im Nationalsozialismus wichtige Verwaltungsfunktionen bekleidet hatten. In der inhaltlichen Arbeit des MdI lassen sich nicht nur keine direkten Kontinuitätslinien zum „Dritten Reich“ finden, sondern die 1949 von der SED proklamierte Staatsräson der DDR war die eines konsequent antifaschistischen Deutschlands. Die SED-Führung verzichtete bewusst auf „belastete“ Fachkräfte in wichtigen Positionen des MdI. Nur in bestimmten Fachbereichen wurde auch im ostdeutschen Innenministerium auf Experten zurückgegriffen, die während des Nationalsozialismus im Staatsdienst gearbeitet hatten. Das waren Bereiche, in denen große Fachkenntnisse vonnöten waren, zum Beispiel bei den wissenschaftlichen Diensten und vereinzelt auch bei den Bewaffneten Organen

Lara Büchel

Zur Konsequenz des Selbstverständnisses des Beamtentums

Dr. Frieder Günther
Historiker am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin

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