Netzwerke

Welche Rolle spielten Netzwerke?

Netzwerke zeichnen sich durch die Bekanntschaft ihrer Mitglieder untereinander und durch ihr Zugehörigkeitsgefühl zueinander aus. Sie stellen keine formell festgelegte Gruppe dar. Sie dienen der gegenseitigen Unterstützung ihrer Beteiligten; unter anderem im Arbeitsleben können sie doch Einfluss auf Einstellungen oder Beförderungen nehmen.

Auch in der Geschichte der beiden deutschen Innenministerien spielten personelle Netzwerke eine wichtige Rolle. Ihre Offenlegung lässt Rückschlüsse auf mögliche Kontinuitäten oder Brüche in der Personalpolitik hinsichtlich der NS-Zeit zu.

Das Problem in der Betrachtung der Netzwerke liegt jedoch darin, dass sie meist nicht institutionell existieren und sich nicht selbst als solche bezeichnen. Im BMI und MdI beruhten die Netzwerke einerseits auf persönlicher Verbundenheit, die z.B. durch das Studium, die Ausbildung, die Militärzeit oder die Arbeit an gleichen Orten entstanden war. Andererseits konnten auch Netzwerke über verschiedene Institutionen hinweg bestehen, so etwa zwischen der Abteilung „Gesundheitswesen“ im BMI und dem Bundesgesundheitsamt oder dem MdI und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Mitunter lassen sich auch netzwerkartige Strukturen aufzeigen, die allein über Zugehörigkeiten zu einer Partei oder einer bestimmten Religionsgemeinschaft entstanden sind.

Die Zugehörigkeit zu einem Netzwerk hatte – neben fachlicher Qualifikation, beruflicher Erfahrung und weiteren formalen Einstellungskriterien – Einfluss auf die Mitarbeiterauswahl in den beiden deutschen Innenministerien. Die Beteiligten unterstützten sich nach Kriegsende durch gegenseitige Empfehlungsschreiben bei der Wiedereinstellung. Dies zeigte sich vor allem in der Anfangszeit der beiden Ministerien. Das Gründungspersonal im BMI war durch persönliche und professionelle Netzwerke geprägt. So gab es eine Gruppe, die gemeinsam in Königsberg (Kaliningrad) studiert und bereits zur Zeit des Nationalsozialismus im Reichsinnenministerium zusammen gearbeitet hatte.

Im MdI lassen sich verschiedene Netzwerke identifizieren. Bekanntschaften aus der Zeit der parteipolitischen Kämpfe der Weimarer Republik, der Zeit des Exils, des Spanischen Bürgerkrieges oder gemeinsamer Haft bestanden auch nach 1945 weiter und spielten mitunter beim Eintritt ins Ministerium und bei der alltäglichen Arbeit eine Rolle. Daneben bestanden auch in den wissenschaftlichen Diensten des MdI Netzwerke, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich durch die gemeinsam absolvierte Ausbildung vor 1945 kannten.

Stella Krekeler

Zu Netzwerken

Dr. Frieder Günther
Historiker am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin

Zeitgeschichte zum Thema