Vollständige Interviews

Vollständiges Interview mit:

Prof. Dr. Frank Bösch
Direktor am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Vollständiges Interview mit:

Prof. Dr. Andreas Wirsching
Direktor am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin

Vollständiges Interview mit:

Irina Stange, M.A.
Historikerin am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin

 

Wer sind Sie und welche Aufgaben haben Sie in dem Forschungsprojekt?

Seit Projektbeginn bin ich Doktorandin am Institut für Zeitgeschichte und gleichzeitig eine von acht Forschern des BMI-Projektes. Ich setze mich mit der Personalpolitik des BMI sowie seiner Leitungsebene, also den Ministern und Staatssekretären, auseinander.

Gibt es ein spezielles Thema, zu dem Sie forschen?

Meine Dissertation wird sich mit der Person des ersten Staatssekretärs Hans Ritter von Lex beschäftigen. Der Schwerpunkt wird dabei auf seiner Tätigkeit im Bundesministerium des Innern liegen.

Was finden Sie besonders spannend an der Erforschung der Innenministerien?

Besonders reizt es mich, der Frage nach Kontinuitäten im Denken und Handeln nachzuspüren. Welche Auswirkungen haben Systemumbrüche und persönliche Niederlagen auf das individuelle Handeln und welche Überzeugungen oder Handlungsmuster bleiben über solche Wandlungen hinweg erhalten?

Wer gehörte zu dem Gründungspersonal des BMI und nach welchen Kriterien wurde es ausgewählt?

Zum Gründungspersonal gehörten in den leitenden Ebenen in erster Linie ältere, erfahrene Beamte, die zumeist vor der Jahrhundertwende geboren worden waren, den ersten Weltkrieg aktiv miterlebt hatten und ihre Karriere in der Weimarer Republik begonnen hatten. Bei ihrem Eintritt in das BMI konnten sie auf eine vielfältige, lange und erfahrungsreiche Laufbahn zurückblicken und diese für den Ministeriumsaufbau nutzen. Ihnen als Referatsleiter zur Seite gestellt wurden oftmals jüngere Beamte, die sich in der Zeit des Nationalsozialismus auf verschiedenen Gebieten Spezialwissen angeeignet hatten, das nun im BMI gebraucht wurde.

Inwiefern wurde bei der Auswahl auf geringe NS-Belastung geachtet?

Insbesondere in der ersten Hälfte der 1950er Jahre lassen sich bei den personalpolitischen Entscheidern (Personalreferent, Leiter der Zentralabteilung, Staatssekretär, Minister, zuständige Abteilungsleiter) Bedenken hinsichtlich einer frühen NSDAP-Mitgliedschaft vor dem Machtwechsel 1933 (sie hatten im NS als „alte Kämpfer“ eine Sonderstellung inne) sowie einer Zugehörigkeit zum nationalsozialistischen Terror- und Sicherheitsapparat wie der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) oder der Schutzstaffel (SS) feststellen. Als Ausschlusskriterium können sie allerdings nicht bezeichnet werden. Eine Sonderstellung nahm die Sturmabteilung (SA) ein. Eine Zugehörigkeit zu ihr wurde oftmals toleriert, vor allem, wenn diese erst nach dem Röhm-Putsch 1934 begonnen hatte. Als bedenklich wurden zudem einstige Amtsträger in der NSDAP, SS oder SA, aber auch im Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) angesehen. Derartige Bedenken schwächten sich allerdings bereits im Verlauf der 1950er Jahre mit zunehmendem Abstand zum Nationalsozialismus ab.

Veränderte sich der Einstellungsprozess vom Gründungspersonal zum darauffolgenden Personal? Nach welchen Kriterien wurde das spätere Personal eingestellt?

Vieles spricht dafür, dass zu Beginn noch zwischen NSDAP-Mitgliedschaften differenziert wurde. So dominierten nicht nur frühere NSDAP-Eintritte von 1933 bis 1937. Auch sollten Parteimitglieder, die vor 1933 in die Partei eingetreten waren, die sogenannten Alt-PG, möglichst nicht eingestellt werden. Zudem sollten einstige SA- und vor allem SS-Angehörige weitestgehend von hohen Positionen (über die Referatsleiterebene hinaus) ausgeschlossen bleiben. Im Verlauf der 1950er Jahre wandelte sich dies. 1951 konnte das erste ehemalige NSDAP-Mitglied Staatssekretär werden. 1952 wurde der erste „Alt-PG“ als Referent eingestellt. Darüber hinaus stiegen SA-Angehörige zunehmend in die Ebenen der Unterabteilungs- und Abteilungsleiter auf. 1953 bekam das BMI schließlich mit Gerhard Schröder den ersten Minister, der sowohl der NSDAP als auch der SA beigetreten war.

Inwiefern stellte das Gründungspersonal des BMI ein bereits existierendes Netzwerk dar?

Anhaltspunkte für personelle Verflechtungen finden sich zuhauf. Schwer wird es allerdings bei der Identifizierung konkreter Einstellungsnetzwerke. Insbesondere die Tatsache, dass über ein Netzwerk Personen in das BMI geholt werden, lässt sich nur in Ausnahmefällen aufzeigen, da solche Empfehlungen meist mündlich erfolgten. Dennoch konnten zahlreiche Personengruppen im BMI identifiziert werden, die gemeinsame Ausbildungs- oder Berufsstationen durchlaufen hatten und hier in Kontakt gestanden oder sogar miteinander gearbeitet hatten. Eine der größten Gruppen stellen die einstigen Beamten des Reichsinnenministeriums dar.

Gehörten alle Personen des Gründungspersonals zu dem gleichen Netzwerk?

Nein, es ließen sich mehrere Gruppen identifizieren. Darunter befindet sich nicht nur die Gruppe der einstigen Beamten des Reichsministeriums des Innern (RMI), sondern vor allem die sehr viel größere Gruppe der einstigen Beamten der Berliner Reichsministerien (auch preußische Ministerien) insgesamt. Daneben ließen sich zahlreiche Beamte der Militärverwaltung in Paris oder der Militärverwaltung in Saloniki finden. Ein weiterer Kristallisationspunkt stellen die Regierungen in Königsberg oder Breslau dar.

War der erste Staatssekretär Hans Ritter von Lex Teil dieser Netzwerke? Wenn ja welche Rolle spielte er in diesen bzw. wie ist seine Verbindung zu den Netzwerken des Gründungspersonal zu bewerten?

Ritter von Lex war Teil einzelner Gruppen. So gehörte er den RMI-Beamten an und hatte als CSU-Mann und einstiger Ministerialrat im Bayerischen Innenministerium enge Kontakte in die bayerische Landesverwaltung hinein. Seine Rolle bei den Personalrekrutierungen der 1950er Jahre lässt sich dennoch nur schwer ausmachen. Auffällig ist, dass seine ehemaligen Mitarbeiter im Sportreferat des Reichsinnenministeriums bald auch wieder im BMI beschäftigt wurden. Auch gelangten einige Beamte über Empfehlungen von Hans Globke im Bundeskanzleramt in das BMI, mit dem Hans Ritter von Lex in anhaltend engem Kontakt stand.

Welchen Einfluss hatte ein negatives Entnazifizierungsverfahren auf eine Karriere im BMI?

Grundsätzlich wurde die Einstellung von Beamten mit der Entnazifizierungskategorie V (entlastet) bevorzugt. Allerdings galt auch hier die Einzelfallprüfung. So wurden mitunter Kandidaten eingestellt, die in die Kategorie IV (Mitläufer) und sogar einer, der in die Kategorie III (minderbelastet) eingestuft worden waren. In diesen Fällen war die angegebene Kategorie in den Personalbögen stets unterstrichen. Auch mussten sich die Bewerber im BMI für ihre Einstufung rechtfertigen. Es spricht allerdings vieles dafür, dass diese Personen trotz einer geringeren Entnazifizierungskategorie eingestellt wurden, da auf ihr Spezialwissen und ihre Fähigkeiten nicht verzichtet werden konnte.

Vollständiges Interview mit:

Dr. Franziska Kuschel
Historikerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Vollständiges Interview mit:

Dr. Dominik Rigoll
Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Vollständiges Interview mit:

Dr. Frieder Günther
Historiker am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin