BMI

Hans Ritter von Lex

(1893-1970)

1933 verhandelte er noch mit Adolf Hitler über eine gemeinsame politische Koalition in Bayern. Nach der Gründung der Bundesrepublik wurde Hans Ritter von Lex der erste Staatssekretär im BMI. Dort hatte er maßgeblichen Einfluss auf die Einstellungspolitik und unterstützte unter anderem die Parteiverbotsverfahren gegen die KPD und die rechtsextreme SRP.

Hans Ritter von Lex, 1967

Fotograf: Heinz Engels, Quelle: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn

Hans Ritter von Lex, 1967

Der erste Staatssekretär im BMI

Als erster Staatssekretär half Hans Ritter von Lex nicht nur dabei, das Gründungspersonal für das BMI auszuwählen. Er war auch über zehn Jahre maßgeblich für den Aufbau und die Leitung des Ministeriums zuständig.

Im Vorfeld der Gründung der Bundesrepublik Deutschland beauftragte der Präsident des Parlamentarischen Rates, Konrad Adenauer, eine Gruppe politisch erfahrener Personen damit, bis zum Herbst 1949 Vorschläge zu entwickeln, wie und mit wem die künftigen Bundesministerien aufgebaut werden könnten. Auch Hans Ritter von Lex, der beinahe von Anfang bis Ende der NS-Zeit im Reichsinnenministerium (RMI) gearbeitet hatte, wurde wegen seiner Erfahrungen in die Beratungen miteinbezogen.

Die Entwürfe, die aus den Treffen und dem Briefverkehr hervorgingen, landeten zwar schließlich in einem Schrank, wo sie nicht mehr angerührt wurden. Die beteiligten Personen wurden jedoch weiterhin am Aufbau der Ministerien beteiligt. So auch Ritter von Lex. Im Spätherbst 1949 wurde er in das Bundesinnenministerium abgeordnet und schließlich am 1. Juni 1950 zum ersten Staatssekretär ernannt.

Bis zu seiner Pensionierung 1960 diente er drei Innenministern: Gustav Heinemann, Robert Lehr und Gerhard Schröder. Er war mit wechselnden Kompetenzen zuständig für interne Personalpolitik, öffentliche Sicherheit sowie Verfassung und Staatsrecht. In der Funktion des Staatssekretärs unterstützte er unter anderem den Aufbau des Bundesgrenzschutzes, des Bundeskriminalamtes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Zivilen Bevölkerungsschutzes, war aber auch im Bereich der Jugendfürsorge aktiv.

Hans Ritter von Lex (2. von rechts) am 28. Mai 1961 beim zehnjährigen Jubiläum des Bundesgrenzschutz in Lübeck.

Fotograf: Egon Steiner, Quelle: BArch B 145 Bild-F010414-0002

Hans Ritter von Lex (2. von rechts) am 28. Mai 1961 beim zehnjährigen Jubiläum des Bundesgrenzschutz in Lübeck.

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Expertise war wichtiger als eine NSDAP-Mitgliedschaft

Wenige Beamte hatten einen so maßgeblichen Einfluss auf die Einstellungspolitik im BMI wie der erste Staatssekretär Hans Ritter von Lex. Bei der Auswahl des Personals war eine NSDAP-Mitgliedschaft kein Ausschlusskriterium. Wichtiger war die Erfahrung der Bewerberinnen und Bewerber.

Von September 1949 bis etwa Herbst 1953 organisierte Staatssekretär im BMI Hans Ritter von Lex in Absprache mit seinem jeweiligen Vorgesetzten, dem ersten deutschen Bundesinnenminister Gustav Heinemann und seinem Nachfolger Robert Lehr, vor allem aber mit Adenauers Vertrauten Hans Globke die Auswahl des Gründungspersonals. Die Einstellungspolitik war dabei äußerst pragmatisch.

Lex und den anderen Beteiligten kam es vor allem auf Expertise an. Sie holten deswegen auch Personen ins BMI, die der NSDAP- oder anderen NS-Organisationen angehört hatten. Wichtig waren andere Dinge, zum Beispiel der Entnazifizierungsgrad, die Höhe der Stellung in der NS-Verwaltung, SS-Mitgliedschaft usw. So kam es, dass in der Gründungsphase unter den 44 Personen der Leitungsebene etwa jeder Zweite ein ehemaliges NSDAP-Mitglied war. Ferner gab es sieben einstige SA-Angehörige (z.B. Kurt Breull) und drei ehemalige SS-Angehörige. Ritter von Lex sorgte aber auch dafür, dass Verfolgte des NS-Regimes wie Franz Herrmann in leitende Positionen kamen, obgleich dies eine Ausnahme war und meist aus öffentlichkeitswirksamen Gründen geschah.

Ritter von Lex selbst hatte im März 1933 mit Hitler über eine bayerische Koalition zwischen der NSDAP und Lex‘ eigener Partei, der Bayerischen Volkspartei (BVP), verhandelt und im Reichstag mit der BVP für Hitlers „Ermächtigungsgesetz“ gestimmt. Entgegen der DDR-Propaganda, er sei während der NS-Zeit ein „Gestapo-Spitzel“ (Neues Deutschland, 5.12.1954) gewesen, war er „nur“ in NSDAP-nahe Organisationen eingetreten.

1933 saß er sogar für kurze Zeit in Schutzhaft und stand danach für zehn Wochen unter Beobachtung, war also selbst Repressionen ausgesetzt. Er wurde nur noch einmal bei seinem Eintritt ins Reichsinnenministerium zum Oberregierungsrat befördert. Alle weiteren Beförderungen wurden ihm verweigert, da er nicht in die NSDAP eintreten wollte. Als Heinrich Himmler 1943 das RMI übernahm, wurde Ritter von Lex von seiner ursprünglichen Beschäftigung als Referent für Sportfragen abberufen und auf eine der unpolitischsten und am wenigsten auffälligen Positionen versetzt, in die Abteilung für Kriegsschäden.

"Wer ist Adolf Hitler? Der 'Erneuerer' der nordischen Rasse", geboren in Braunau in Oberösterreich, seit 13 Jahren Parteiredner ohne jeden positiven Erfolg, aber mit der unstillbaren Sehnsucht Deutschlands Mussolini zu werden..." - Wahlplakat der Bayerischen Volkspartei (BVP) vom Oktober 1932 anlässlich der anstehenden Reichstagswahl im November. Ende 1932 agitierte die BVP noch gegen Adolf Hitler und die NSDAP als politischen Konkurrenten. Nach der Machtübernahme 1933 versuchte sie mit der NSDAP eine Koalition in Bayern auszuhandeln. Der Gesprächspartner Hitlers war dabei Hans Ritter von Lex.

Quelle: BArch Plak 002-024-016-T2 und Plak 002-024-016-T3

Wahlplakat der Bayerischen Volkspartei (BVP) vom Oktober 1932 anlässlich der anstehenden Reichstagswahl im November. Ende 1932 agitierte die BVP noch gegen Adolf Hitler und die NSDAP als politischen Konkurrenten. Nach der Machtübernahme 1933 versuchte sie mit der NSDAP eine Koalition in Bayern auszuhandeln. Der Gesprächspartner Hitlers war dabei Hans Ritter von Lex.

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Antikommunismus im BMI und das KPD-Verbot

Staatssekretär Hans Ritter von Lex engagierte sich tatkräftig beim Aufbau des BMI. Hier führte er aber auch seinen Kampf gegen den Kommunismus weiter.

Seitdem Ritter von Lex zum Staatssekretär ernannt wurde, stand er im Fadenkreuz der DDR-Propaganda. Ende 1951 überschlugen sich die Redakteure des „Neuen Deutschland“ und der „Berliner Zeitung“ mit kritischen Berichten. Grund dafür war das Verbotsverfahren gegen die KPD, bei dem er die Bundesregierung vertrat.

Seine Aussagen belegten häufig, wie stark antikommunistische Einstellungen nach 1945 fortwirkten und auch die Politik des BMI in der Anfangszeit bestimmten. Am 5. Juli 1955 erklärte der Staatssekretär zum Beispiel, die KPD sei „ein gefährlicher Infektionsherd im Körper unseres Volkes, der Giftstoffe in die Blutbahn des staatlichen und gesellschaftlichen Organismus der Bundesrepublik sendet“[1]. Das „Neue Deutschland“ wiederum bezeichnete ihn als „Ritter von faschistischer Gestalt“ (Neues Deutschland, 5.12.1954), der in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht „wie Göring einst in Leipzig“ beim Reichstagsbrandprozess kommandiere.

Tatsächlich hatte Ritter von Lex seinen Kampf gegen den Kommunismus bereits 1919 begonnen, als er sich an der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt hatte. Ein paar Jahre später, im März 1933, war er sogar soweit gegangen, Hitler bei drei vertraulichen Gesprächen die Hilfe seiner Bayerischen Volkspartei (BVP) bei der „Zerschmetterung des Marxismus in Deutschland“[2] anzubieten:

„Daß man das deutsche Volk auch unter Anwendung strengster Methoden von dieser Verseuchung befreie, sei gemeinsame Forderung aller vaterländisch gesinnten Kreise. Bei der Sozialdemokratie handle es sich um eine Richtung des Marxismus, der gegenüber man weniger die physische Ausrottung als die geistige Überwindung anwenden solle.“[3]

Eine Koalition zwischen der BVP und der NSDAP war in Bayern dennoch nicht zustande gekommen. Der begeisterte Empfang der Münchner und gerade die extreme Kooperationsbereitschaft der BVP hatten dazu geführt, dass Hitler glaubte, allein die Regierungsgewalt übernehmen zu können.

Als Konservativer war Ritter von Lex allerdings nicht nur gegenüber dem Kommunismus bzw. der Sozialdemokratie, der er den Untergang der Weimarer Republik zu Lasten legte, kritisch eingestellt. Nachdem auch er durch das NS-Regime Repressionen ausgesetzt worden war, hatte er sich beispielsweise geweigert, trotz seiner Stellung im Reichsinnenministerium der NSDAP beizutreten. In der Nachkriegszeit wandte er sich gegen die politisch extreme Rechte.

Sein zweiter Vorgesetzter im BMI, Innenminister Robert Lehr, hatte im November 1951 nicht nur gegen die KPD ein Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit gestellt, sondern ebenfalls gegen die neonazistische Sozialistische Reichspartei Deutschlands (SRP). Bereits in diesem Verfahren hatte Ritter von Lex die Bundesregierung vertreten. Bis zur Urteilsverkündung im Juni 1952 bewies er, dass die SRP eine Nachfolgeorganisation der NSDAP sei und die freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen wolle.

Jakob Saß

 

[1] Kommunistische Partei Deutschlands, Weißbuch der Kommunistischen Partei Deutschlands über die mündliche Verhandlung im Verbotsprozeß vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, Berlin 1955, S. 16.

[2] Aufzeichnung von Hans Ritter von Lex über seine Unterredungen mit Hitler, 15. März 1933, zit. nach: Dieker, Wolfgang: „Ich will keine Nullen, sondern Bullen“. Hitlers Koalitionsverhandlungen mit der Bayerischen Volkspartei im März 1933, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 50 (2002), S. 111-148, hier S. 128.

[3] Aufzeichnung von Hans Ritter von Lex über seine Unterredungen mit Hitler, 19. März 1933, zit. nach Dierker, Wolfgang: 2002, S. 139.

Tausende DDR-Bürger protestieren am 18. August 1956 in Halle (Saale) gegen das KPD-Verbot in der Bundesrepublik.

Fotograf: G. Hoffmann, Quelle: BArch Bild 183-40899-0001

Protestkundgebung gegen das KPD-Verbot in Halle (Saale) am 18. August 1956.
Protestplakat des KPD-Parteivorstands gegen das Verbotsverfahren, ca. 1949-1966: "Heute fordern die Kanonenkönige Verbot der KPD, morgen soll es die SPD sein und der DGB. 1933 lehrt: Dem KPD-Verbot folgt Soldatentod. Freiheit für das Volk. Freiheit für die KPD."

Quelle: BArch Plak 005-026-023

Protestplakat des KPD-Parteivorstands gegen das Verbotsverfahren, ca. 1949-1966.

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Lebenslauf

27.10.1893: geboren in Rosenheim/Oberbayern als Hans Lex

1912-1914 und 1919-1921: Studium der Rechtswissenschaften

1914-1919: Militärdienst in der Bayerischen Armee während des Ersten Weltkrieges

30./31.7.1916: Auszeichnung mit dem Ritterkreuz des Militär-Max-Joseph-Ordens

1918: Gründungsmitglied der Bayerischen Volkspartei (BVP), seit 1921 im Bayerischen Staatsdienst

1927-1933: Beamter im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus

1932-1933: Reichstagsabgeordneter für die BVP

März 1933: Verhandlung mit Hitler über eine mögliche Koalitionsregierung aus BVP und NSDAP in Bayern, Zustimmung für Hitlers „Ermächtigungsgesetz“, nach Auflösung der BVP kurze Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim

Herbst 1933-1945: Oberregierungsrat im Reichsministerium des Innern, zuständig für „Sportfragen“, einschließlich der Vorbereitungen für die Olympischen Winter- und Sommerspiele 1936, 1943 Versetzung in den Bereich für „Kriegsschädenangelegenheiten“

Nach dem Zweiten Weltkrieg: kurzzeitige Internierung, von den Alliierten eingesetzt im Ministerial Collecting Center in Fürstenhagen, danach Vorsitz eines Ausschusses für die Entnazifizierung der gewerblichen Wirtschaft in Rosenheim, Aufbau der CSU

1946-1949: Leitender Beamter im Bayerischen Innenministerium, zuletzt als Ministerialdirektor

1949-1960: Staatssekretär im Bundesministerium des Innern

1961-1967: Präsident des Deutschen Roten Kreuzes

26.2.1970: verstorben in München

Weitere Biografien